Süddeutsche Zeitung

Studie zum EU-Austritt:Brexit dürfte Deutschland besonders hart treffen

Lesezeit: 1 min

Von Thomas Öchsner, Berlin

Der bevorstehende Ausstieg Großbritanniens aus der EU wird der deutschen Wirtschaft stärker schaden als der im gesamten Europa. Dies geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Das Institut rechnet damit, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland durch den Brexit-Schock bis zu 0,4 Prozentpunkte verlieren wird. Die deutsche Wirtschaft sei durch ihre große Offenheit und Abhängigkeit vom Handel "stärker betroffen", heißt es beim DIW. Im Euro-Raum werde das BIP in den ersten acht Monaten seit dem Brexit-Votum um 0,2 Punkte nach unten gedrückt. "Selbst zwei Jahre nach dem Unsicherheitsschock wird sich das Bruttoinlandsprodukt noch nicht vollständig erholt haben", schreiben die DIW-Wissenschaftler.

Normalerweise untersuchen Ökonomen eine Vielzahl von Einflussfaktoren auf das Wirtschaftsgeschehen und wagen dann eine Prognose. Anders die drei Autoren der DIW-Studie Malte Rieth, Claus Michelsen und Michele Piffer: Sie ließen diese Faktoren beiseite und konzentrierten sich auf den Unsicherheitsschock, den die Briten durch ihr Ja zum Brexit im Juni auslösten.

Unsicherheit bremst Investitionen

Da sich diese ökonomische Unsicherheit aber nicht direkt messen lässt, verwendeten sie als Maß die Volatilitätsindizes für den Deutschen Aktienindex und den Euro-Stoxx-50. Im Dax sind die 30 größten an der Börse notierten Unternehmen Deutschlands erfasst, im Euro-Stoxx die 50 größten der Euro-Zone. Die Volatilitätsindizes spiegeln wider, wie stark die jeweiligen Aktienbarometer schwanken - und damit, wie nervös die Anleger sind. Im Verlauf des Brexit-Votums zeigten die Indizes "die markantesten Übernachtveränderungen seit dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise", heißt es in der Studie.

Nun hängen Unsicherheit und Unternehmensinvestitionen eng miteinander zusammen. Schwanken Aktienkurse stark, schaffen die Firmen eher wenig neue Produktionsanlagen. Die Forscher rechnen deshalb damit, dass infolge des Brexit-Schocks die Investitionen im gesamten Euro-Raum um 0,7 Prozent geringer ausfallen werden. In Deutschland kalkuliert das DIW mit einem Minus von einem Prozent. Am stärksten gingen die Investitionen in Maschinen, Metallerzeugnisse und elektronische Anlagen zurück. "Die deutsche Wirtschaft leidet unter der Unsicherheit stärker als der Euro-Raum insgesamt, da unser verarbeitendes Gewerbe sehr exportorientiert ist und die schwächere Nachfrage aus dem Vereinigten Königreich unmittelbar zu spüren bekommt", sagt DIW-Forscher Malte Rieth.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3114219
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.08.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.