Süddeutsche Zeitung

Seltene Erden:Schwer zu fördern, schwer zu recyceln

Lesezeit: 3 min

Ohne seltene Erden läuft bei Smartphones, Autos und Computern gar nichts. Doch was, wenn die Lieferketten reißen?

Von Helmut Martin-Jung

Mal angenommen, ein Kontinent will umstellen auf Elektromobilität, will klimaneutral werden - aber keiner liefert die Rohstoffe. Die Industrie in Europa ist bei einigen wichtigen Rohstoffen nahezu komplett abhängig von Ländern, die entweder politisch instabil sind wie die Demokratische Republik Kongo. Oder von China, von wo etwa 90 Prozent der sogenannten seltenen Erden herkommen. Metalle mit kryptischen Namen wie Praesodym oder Dysprosium also, ohne die in Smartphones, E-Auto-Batterien, Computern und vielen anderen Dingen der modernen Welt nichts mehr geht.

Was also tun? Dieser Frage geht Jens Gutzmer nach. Er ist Direktor des Helmholtz-Inistituts Freiberg für Ressourcentechnologie und Experte für seltene Rohstoffe. "Die Anwendungsbereiche für seltene Erden sind extrem vielfältig", sagt Gutzmer, die Industrie argumentiere, dass bestimmte Bauteile nur dann so klein wie gewünscht produziert werden könnten, wenn man diese Hightech-Metalle einsetze.

Spätestens seit China nach einem Zwischenfall im Südchinesischen Meer die Lieferung von Seltenen-Erden-Metallen einschränkte und deren Preise um das Fünffache nach oben schnellten, macht man sich allerdings auch in der Industrie Gedanken darüber, zumindest sparsamer mit den wertvollen und teuren Rohstoffen umzugehen. So sei es beispielsweise gelungen, sagt Experte Gutzmer, den Anteil von Dysprosium in Magneten zu senken. Dysprosium gilt als besonders selten.

Volkswagen hat sich bei seinem Elektroauto ID 3 bewusst gegen Neodym und für das viel häufigere Ferrit als Material für Magneten entschieden - das musste beim Design allerdings von Anfang an berücksichtigt werden. "Da gab es einige Anstrengungen in dieser Richtung", sagt Gutzmer. Besonders japanischen Firmen sei es gelungen, den Anteil an Seltenen-Erden-Metallen zu reduzieren.

Änderungen bei der Zusammensetzung von Magneten und anderen Bauteilen sind das eine. Mindestens genauso wichtig ist es aber auch, die Rohstoffe aus Geräten wiederzuverwerten, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Sie einfach wegzuwerfen, ist jedenfalls das Dümmste, das man tun kann. Schließlich ist ihre Gewinnung meist alles andere als umweltfreundlich, und in den inoffiziellen Minen etwa für Kobalt im Kongo arbeiten auch viele Kinder.

Beim Recycling gilt eine Faustregel: Umso reiner das Ausgangsmaterial, aus dem Rohstoffe zurückgewonnen werden sollen, umso besser funktioniert es auch. Deshalb lassen sich beispielsweise Schleifstäube, die bei der Bearbeitung von Seltenen-Erden-Metallen anfallen, erfolgreich recyceln. "Aber wenn es um sehr komplexe Gemische etwa aus Laptops und Autos geht, wird es schwierig, daraus Rohstoffe sortenrein zu gewinnen", sagt Gutzmer.

Im Labor klappt die Rückgewinnung - doch es fanden sich keine Investoren

Immerhin, das Material- und Recycling-Unternehmen Umicor nimmt für sich in Anspruch, es könne beim Einschmelzen von Metallen aus Altgeräten sogenannte Seitenströme erzeugen. Das heißt, es würden dann nicht bloß Metalle wie Gold, Kupfer oder Platin gewonnen, das geschieht schon länger. Es könnten dann auch Zinn oder Indium recycelt werden. "Die Firmen brauchen nur genug Volumen", sagt Gutzmer, also genügend Material, das sie einschmelzen können. Die in sehr kleinen Mengen vorhandenen seltenen Erden fallen bei dem relativ groben Verfahren aber durch den Rost.

Im Helmholtz-Zentrum haben Gutzmer und sein Team Methoden entwickelt, wie sich auch solche Rohstoffe zurückgewinnen ließen - allerdings nur im Labormaßstab. "Am Markt haben die sich leider nicht durchgesetzt", sagt Gutzmer, "es gab nicht die Unterstützung von Investoren." Die aber hätte es gebraucht, um eine großtechnische Anlage zu bauen. Erst dann hätte man auch beurteilen können, ob sich das Recyceln finanziell lohnt oder zumindest nicht teurer ist als sie zu kaufen.

Gutzmers Hoffnung richtet sich auf den sogenannten Materialpass, an dem die Europäische Union arbeitet. Er soll Unternehmen verpflichten, mitzuteilen, was wo in ihren Geräten steckt. So könnten automatisierte Anlagen entwickelt werden, die beispielsweise Smartphones automatisch zerlegen und Rohstoffe möglichst sortenrein entnehmen könnten. "Wir müssen schneller erkennen, was auf dem Förderband liegt", sagt er, automatische Bilderkennung könne dabei viel helfen. Aber er weiß auch, dass das noch Zukunftsmusik ist: "Wir reden hier von Dingen, die vielleicht in zehn bis 15 Jahren kommen", sagt er.

Was ihn allerdings beunruhigt: In Sachen Souveränität habe sich in den vergangenen zehn Jahren überhaupt nichts getan: "Es gab Gesprächskreise, viel Papier wurde bedruckt, aber kein einziges Bergwerk aufgebaut." Europa bleibt damit abhängig von Rohstoffen aus dem Ausland.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5383336
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.