Süddeutsche Zeitung

Schuldenkrise:Griechenland-Programm könnte bis November verlängert werden

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Verlängerung des Hilfsprogramms möglich

Die internationalen Geldgeber erwägen im Falle einer Last-Minute-Einigung mit Griechenland die Verlängerung des Hilfsprogramms bis Ende November. Die griechische Regierung müsste die fünftmonatige Verlängerung bis Samstagfrüh beantragen. Bis November könnten dem pleitebedrohten Land Finanzmittel in Höhe von insgesamt 15,3 Milliarden Euro zufließen, heißt es in einem Dokument, das den Nachrichtenagenturen Reuters und AFP vorlag.

In dem Papier wird der Zeitplan für die Überweisungen dargelegt - unter der Voraussetzung, dass sich Euro-Partner, IWF und griechische Regierung bis Dienstag auf die Bedingungen für die Verlängerung einigen. So sollten zunächst 1,8 Milliarden Euro in der kommenden Woche überwiesen werden, die aus Gewinnen der EZB durch den Erwerb griechischer Staatsanleihen im SMP-Programm 2014 stammen. Damit soll Griechenland die am Dienstag fällige Tranche an den IWF begleichen. Das Geld würde demnach fließen, sobald das griechische Parlament der Einigung mit den Gläubigern zugestimmt hat.

Treffen zwischen Merkel, Tsipras und Hollande

Einen Tag vor der entscheidenden Sitzung der Euro-Gruppe sprechen noch einmal Bundeskanzlerin Angela Merkel, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und der französische Präsident François Hollande miteinander. Das bestätigten Verhandlungskreise am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Dabei solle es aber nicht um Einzelheiten der Reform- und Sparlisten gehen, über die Athen mit den Gläubiger-Institutionen verhandelt, verlautete aus Delegationskreisen.

Varoufakis: Griechenland kann Forderungen nicht erfüllen

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis sieht keine Kompromissbereitschaft. Sein Land sei noch immer mit Forderungen konfrontiert, die es nicht erfüllen könne, sagte Varoufakis am Freitag dem irischen Rundfunksender RTE. Dabei habe Athen alles getan, um den "seltsamen Forderungen" der Geldgeber entgegenzukommen. Griechenland sei entschlossen, in der Euro-Zone zu bleiben, betonte der Minister des von der Pleite bedrohten Euro-Landes. Dazu habe Griechenland eine moralische Verpflichtung.

"Der Samstag ist entscheidend"

Nach dem abermaligen Abbruch der Griechenland-Verhandlungen hat der EU-Gipfel Athen eine letzte Frist zur Einigung mit den Gläubigern gesetzt: Dem Euro-Gruppen-Treffen am Samstag "kommt entscheidende Bedeutung zu", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Zeit werde "sehr, sehr knapp". EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, die Gipfelteilnehmer erwarteten, dass die Euro-Gruppe "diesen Prozess auf ihrem Treffen am Samstag abschließt".

Der politische Wille zu einer Einigung sei "heute eindeutig" gewesen, sagte Merkel zum Abschluss des ersten Gipfeltages. Die Staats- und Regierungschefs hätten sich aber nicht mit den Einzelheiten befasst, sondern nur einen "prozeduralen" Beschluss gefasst: Athen müsse mit den Gläubiger-Institutionen eine Lösung finden, die dann am Samstag den Finanzministern vorgelegt werden müsse. Erst wenn die Euro-Gruppe zustimmt, könnten das griechische und anschließend das deutsche Parlament abstimmen, um blockierte Milliarden aus dem Hilfsprogramm für das hochverschuldete Land freizugeben.

Kein Plan B

Der Forderung einzelner Mitgliedsstaaten, die Euro-Zone müsse sich auf einen "Plan B" - also ein Scheitern der Verhandlungen und damit einem drohenden Grexit - vorbereiten, schloss sich die Kanzlerin nicht an. "Ich möchte mich weiterhin an Spekulationen nicht beteiligen", sagte sie. Die Forderung der Griechen nach einem Schuldenerlass ließ die Kanzlerin unbeantwortet. Es gebe im auslaufenden Programm eine "festgelegte Bilanzsumme".

"Jetzt muss man schauen, was macht Griechenland, um dieses Programm weitestgehend zu erfüllen. Es ist nicht möglich, irgendwelches neues Geld zu finden, was bislang nicht da ist." Allerdings schloss Merkel weitere Hilfe für Athen nicht grundsätzlich aus. "Alles andere muss ausgearbeitet werden", sagte sie mit Blick auf die Finanzengpässe Athens, die auch bei einer Auszahlung der derzeit blockierten Milliardenhilfen noch nicht dauerhaft überwunden werden können.

Zwei Reform- und Sparlisten

Mangels Einigung zwischen Athen und den Gläubiger-Institutionen von Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission hatten den Euro-Finanzministern zwei Reform- und Sparlisten vorgelegen: eine griechische, die teils hinter die Vorschläge von Anfang der Woche zurückging; und eine der Institutionen, die weiter unter anderem auf ein rasches Aus von Frühverrentungen sowie auf eine höhere Mehrwertsteuer auch für Hotels und auf den Inseln beharrte ( hier der Vorschlag der Gläubiger als PDF). Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem machte deutlich, dass Athen nicht mehr viel Spielraum eingeräumt wird: Den Griechen stehe "die Tür offen, die von den Institutionen auf den Tisch gelegten Vorschläge zu akzeptieren". Ein hoher EU-Diplomat sagte, der Gläubiger-Vorschlag sei "das entscheidende Dokument" und es werde keine "Synthese" zwischen beiden Texten mehr geben.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras, der in Athen mit hartem Widerstand gegen Zugeständnisse an die Gläubiger zu kämpfen hat, verließ das Ratsgebäude in der Nacht ohne eine Stellungnahme. Schäuble hatte selbst den Institutionen-Vorschlag Diplomaten zufolge als "zu schwach" kritisiert. Merkel lehnte es ihrerseits ab, sich zu den konkreten Inhalten zu äußern, damit habe sich der Gipfel auch nicht beschäftigt.

Frist bis Dienstag

Ohne Einigung verfällt das Geld am Dienstag - Athen könnte seine Schulden von 1,5 Milliarden Euro beim Internationalen Währungsfonds kaum fristgerecht begleichen und wäre pleite. Trotz des enormen Zeitdrucks war ein viertes Treffen der Euro-Gruppe binnen einer Woche am Donnerstagnachmittag ergebnislos abgebrochen worden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte beklagt, die Griechen hätten sich "eher rückwärts bewegt".

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