Süddeutsche Zeitung

Schaeffler:Abgang einer Industrie-Ikone

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Maria-Elisabeth Schaeffler zieht sich aus dem Aufsichtsrat des gleichnamigen Automobil- und Industriezulieferers zurück. Ihre Nachfolgerin steht auch schon fest.

Von Uwe Ritzer, Herzogenaurach

Auf dem Höhepunkt der großen Krise vergoss sie öffentlich Tränen. 14 Jahre ist das her, und Maria-Elisabeth Schaeffler kämpfte um nicht weniger als die Existenz ihres gleichnamigen Konzerns. Spektakulär hatte der fränkische Automobil- und Industriezulieferer die drei Mal so große Continental AG gekapert, für sich genommen bereits ein waghalsiges Unterfangen. Mitten in die Übernahme platzte obendrein die globale Finanzkrise, und die Bundesregierung verweigerte den Schaefflers Staatshilfen. Familie und Firma standen mit zweistelligen Milliardenschulden mit dem Rücken zur Wand. So kam es, dass an jenem Februartag 2009 Tausende Mitarbeiter am Konzernsitz in Herzogenaurach demonstrierten, aus Angst um ihre Jobs, aber auch aus Solidarität zur Eigentümerfamilie. Als Maria-Elisabeth Schaeffler vor die Tür trat, jubelten die Beschäftigten frenetisch. Überrascht und gerührt umarmte sie spontan einen Wachmann und begann zu weinen.

In ihrem Familienkonzern mit seinen etwa 83 000 Beschäftigten war die Matriarchin jeher Identifikationsfigur. In der deutschen Wirtschaft war Schaeffler spätestens seit der Conti-Übernahme eine der mächtigsten Frauen. Auch wenn sie in den vergangenen Jahren altersbedingt nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten ist. Am Freitagnachmittag teilte die Schaeffler AG mit, dass sich Maria-Elisabeth Schaeffler, 81, bei der Hauptversammlung am 20. April aus dem Aufsichtsrat zurückziehen wird. Ihre Nachfolge in dem Kontrollgremium, das Schaeffler zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit ernannte, soll Katherina Reiche, 49, antreten, ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium und von 1998 bis 2015 Abgeordnete der CDU im Deutschen Bundestag. Aktuell ist Reiche Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG, einer Tochter des Eon-Konzerns. Zuvor leitete sie den Verband Kommunaler Unternehmen. Obendrein bekleidet sie das Ehrenamt der Vorsitzenden des nationalen Wasserstoffrates der Bundesregierung.

Schon länger ließ sie sich zu den Sitzungen nur noch per Video zuschalten

Maria-Elisabeth Schaefflers Rückzug kommt angesichts ihres Alters nicht überraschend. Bereits vor einem Jahr hatte sich die Unternehmerin aus dem Aufsichtsrat der Continental AG zurückgezogen. An den Sitzungen des Schaeffler-Kontrollgremiums nahm sie länger schon nicht mehr physisch teil, sondern ließ sich von Kitzbühel aus zuschalten, wo die in Wien aufgewachsene Unternehmerin lebt. Um die Familiengeschäfte, zu denen neben der Mehrheit an der Schaeffler AG auch maßgebliche Beteiligungen an Continental und am Antriebsspezialisten Vitesco gehören, kümmert sich länger schon ihr einziger Sohn Georg. 2022 war Maria-Elisabeth Schaefflers zweiter Ehemann gestorben, der ehemalige Industrieverbandspräsident Jürgen Thumann.

"Frau Schaeffler-Thumann hat in ihrer aktiven Zeit das Unternehmen in hervorragender Weise als Familienunternehmen geprägt. Die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten für sie immer höchste Priorität", würdigte am Freitag Jürgen Wechsler von der IG Metall, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Schaeffler AG, die Matriarchin. 1996 hatte sie nach dem Tod ihres Mannes Georg Schaeffler das Herzogenauracher Unternehmen übernommen. In ihre Verantwortung fiel sowohl die feindliche Übernahme von FAG Kugelfischer 2011 als auch der Einstieg bei Continental.

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