Süddeutsche Zeitung

Ryanair:Piloten wehren sich gegen Arbeitsbedingungen bei Ryanair

Lesezeit: 2 min

Von Katja Riedel, Berlin

Die Billig-Airline Ryanair steht schon seit langem wegen mangelhafter Arbeitsbedingungen in der Kritik. Jetzt haben sich an 17 europäischen Standorten - darunter besonders viele in Deutschland - offenbar Piloten zusammengeschlossen, um so dem Unternehmen von Ryanair-Chef Michael O'Leary bessere Arbeitsbedingungen abzutrotzen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR vorliegt.

Geschrieben haben es Piloten, die vom Unternehmen als besonders vertrauenswürdig eingestuft werden und zu sogenannten "Employee Representative Committees" (ERCs) gehören. Das sind Ersatzkonstruktionen für eine Mitarbeitervertretung, denn die gibt es bei Ryanair nicht. Die Piloten dafür werden gewählt.

Immer wieder waren in den vergangenen Wochen bei Ryanair Flüge gecancelt worden, bis zum 31. Oktober sind es mehr als 2000. Die Airline behauptete, sie müsse Fehler in Urlaubsplänen bereinigen und wolle die Pünktlichkeit verbessern. Tatsächlich deuteten aber viele Indizien darauf hin, dass es ein handfestes Problem wegen fehlender Piloten gibt. Ryanair bestreitet allerdings, dass es einen Mangel an Piloten gibt.

Aber das Unternehmen hat ihnen zuletzt sogar ein Angebot gemacht: Mehrere Tausend Euro Prämie sollten sie bekommen, wenn sie im Gegenzug auf freie Zeit verzichten, also zum Beispiel Urlaube unterbrechen. So sollten sie helfen, das Chaos bei der Fluglinie einzudämmen. Doch das Angebot ist bei den Piloten offenbar nicht gut angekommen: Pilotenvertretungen etlicher Basen haben abgelehnt.

Die Piloten aus dem Schreiben wollen stattdessen offenbar nun die Personalprobleme der Fluglinie für ihre Zwecke nutzen und Druck auf das Management aufbauen. Pilotenvertreter aus mehreren europäischen Ländern sollen den Brief am Donnerstag an die Ryanair-Führung verschickt haben. Die belgische Zeitung La Libre hat bereits darüber berichtet. Der Zeitpunkt des Schreibens scheint passend: An diesem Donnerstag soll in Dublin eine Ryanair-Aktionärsversammlung stattfinden.

In dem Schreiben fordern die Piloten das ein, was sie auf anderem Wege bisher nicht hatten erreichen können: Es geht vor allem um feste Arbeitsverträge für alle Mitarbeiter und um Verträge nach örtlichem, nicht nach irischem Recht. Zudem geht es um ein Gehalt, das vergleichbar zu jenem sein soll, das Piloten bei Konkurrenz-Fluglinien verdienen.

Piloten sind es leid, unter den Bedingungen weiter für Ryanair zu arbeiten

Im Fokus der schon länger schwelenden Kritik an Ryanair stehen kuriose Konstruktionen, über die vor allem viele Ryanair-Co-Piloten beschäftigt wurden, zum Teil auch heute noch. Sie werden als Selbständige von einem Personaldienstleister beauftragt und an Ryanair ausgeliehen - anders als die festangestellten Piloten. Wegen dieses umstrittenen Beschäftigungsmodells ermittelt seit einigen Monaten auch die Staatsanwaltschaft Koblenz.

Piloten berichten in Gesprächen mit WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung, dass sie es leid seien, unter solchen Bedingungen weiter für die Billigairline zu fliegen. Sie sind überzeugt, dass hier der wahre Grund liege, warum Ryanair im Moment zu wenig Personal habe und bis 31. Oktober mehr als 2000 Flüge streichen musste. Ihnen kommt zupass, dass im Zuge der Air-Berlin-Insolvenz und des Bieterwettstreits gerade der öffentliche Fokus auf der Luftfahrt liegt und gleichzeitig Bewegung in den Markt gekommen ist. Piloten sind plötzlich wieder Mangelware - auch Ryanair veranstaltet in diesen Tagen sogenannte Roadshows, bei denen sich das Unternehmen möglichen neuen Piloten als attraktiver Arbeitgeber präsentieren will. Sie setzen unter anderem darauf, dass mancher Pilot der insolventen Air Berlin sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen könnte. Allerdings sind viele, vor allem ältere Air Berlin-Piloten bisher zu deutlich besseren Konditionen angestellt und bezahlt.

Die rebellischen Piloten stellen in Aussicht, dass sie sich hilfreich zeigen wollen, sollte das Unternehmen ihnen auch entgegenkommen. Dann könnten sie sich vorstellen, Löcher in der Personaldecke mitzustopfen.

Korrektur: In der ersten Fassung des Artikels hieß es, dass die Piloten in den sogenannten ERCs vom Unternehmen eingesetzt werden. Sie werden aber gewählt.

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