Süddeutsche Zeitung

Ryanair:Der zweite Streich

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Ryanair laufen die Piloten davon. Die Fluggesellschaft annulliert etliche Flüge - und das schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen.

Von Jens Flottau und Jan Schmidbauer, Frankfurt/München

Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair will in den kommenden Monaten deutlich mehr Flüge streichen als bislang bekannt. Das Unternehmen bestätigte am Mittwoch, dass es den Flugplan bis März 2018 weiter ausdünnen wird. Knapp 18 000 Flüge sollen von November an wegfallen. Die Fluglinie will rund 25 Flugzeuge weniger betreiben als bislang vorgesehen.

Betroffen sind etwa 400 000 Passagiere. Mit den Plänen dürfte Ryanair erneut viele Kunden verärgern. Erst vor knapp zwei Wochen gab die Fluggeselleschaft bekannt, bis Ende Oktober mehr als 2000 Flüge zu annullieren, mehr als 315 000 Passagiere müssen deshalb bereits ihre Reisepläne ändern. Nun sollen noch mehr Verbindungen ausfallen. Ryanair bietet betroffenen Kunden eine kostenlose Umbuchung an (nach Verfügbarkeit), beziehungsweise eine Erstattung der Kosten.

Offiziell begründet die Airline die vielen Annullierungen mit einer fehlerhaften Urlaubsplanung bei den Piloten. Schon die erste Welle von Streichungen führte Europas größte Billigairline darauf zurück. Es handele sich um einen einmaligen Fall, betonte das Unternehmen damals. Nun stellt sich allerdings heraus, dass das Problem deutlich langwieriger ist, als zunächst dargestellt.

Branchenkreisen zufolge ist die fehlerhafte Urlaubsplanung ohnehin nicht der einzige Grund für das Chaos. Die Airline habe noch ein viel gravierenderes Problem, heißt es: Ihr rennen die Piloten davon. Ryanair zahlt seinem fest angestellten Cockpit-Personal im Branchenvergleich eher niedrige Gehälter. Das Unternehmen bedient sich zudem einer großen Anzahl von freiberuflich arbeitenden Co-Piloten. Sie werden teilweise über Zeitarbeitsfirmen vermittelt und bekommen keine garantierte Mindestzahl an Flugstunden. In Deutschland läuft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit. Pilotenverbände kritisieren die Haltung des Unternehmens scharf. Ryanair wehrt sich stets gegen die Vorwürfe. Das Unternehmen bestreitet auch, dass abwandernde Piloten der Grund für die jüngsten Flugausfälle sind. Für die Unzufriedenheit des Cockpit-Personals gibt es allerdings zahlreiche Indizien. Im Cockpit der Billigairline herrscht schon lange eine hohe Fluktuation. Wie aus dem jüngsten Geschäftsbericht hervorgeht, bleiben Piloten im Schnitt nur vier Jahre bei Ryanair, ihr Durchschnittsalter beträgt gerade einmal 34 Jahre. Möglicherweise empfinden die Piloten die Arbeitsbedingungen anderer Billigflieger als attraktiver. Konkurrent Norwegian Air erklärte kürzlich, allein in diesem Jahr etwa 140 Ryanair-Piloten übernommen zu haben.

Die Personalkrise erhöht den Druck auf Ryanair, die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Konzernchef Michael O'Leary hatte bereits versucht, Besatzungen mit Sonderhonoraren zum Verzicht auf Urlaub zu bewegen. Mit dem Angebot war er aber weitgehend auf Ablehnung gestoßen. Stattdessen hatten zahlreiche Piloten das Management in Briefen aufgefordert, für eine bessere Bezahlung zu sorgen.

Vor einer schnelleren Expansion der Airline scheint Firmenchef O'Leary angesichts der vielen Probleme zurückzuschrecken. Aus dem Bieterrennen um die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin hatte sich Ryanair bereits zurückgezogen, nachdem die Airline mehrmals den Vorwurf erhob, die Lufthansa werde in dem Verfahren bevorzugt. Am Mittwoch teilte O'Leary nun auch mit, dass sein Unternehmen kein Kaufangebot für die angeschlagene italienische Fluggesellschaft Alitalia abgeben wird.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2017
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