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Börse:Mit Tempo an die Börse

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In dieser Woche will Porsche ans Parkett, Börsenfans und Autofreaks jubeln. Doch sind die Aktien ihren Preis auch wert?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Wenn Anleger dieser Tage Porsche zeichnen, dann dürfte das weniger mit gekonntem Bleistift-Strich zu tun haben als mit der Börse. Denn wenn Sparer eine Aktie zeichnen, wollen sie sich vor deren Start am Parkett ihren Anteil sichern, ein paar Papiere aufschnappen. In dieser Woche will nun die Sportwagenlegende Porsche an der Börse vorfahren - und viele Anleger wollen mit. Doch sichern sich Privatinvestoren mit den Papieren tatsächlich eine Luxusaktie oder am Ende bloß ein überteuertes Prestigeobjekt? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum voraussichtlich größten deutschen Börsengang seit dem Parkettstart der Telekom vor mehr als 25 Jahren.

Wie können Anleger jetzt Porsche-Aktien kaufen?

Wollen Börsenfans und Autofreaks die 911er-Aktie schon vor dem offiziellen Börsenstart am Donnerstag kaufen, müssen sie an einer Art Vorverkauf teilnehmen. Bei der sogenannten "Zeichnung" verkauft das Unternehmen seine Aktien im Vorfeld über elf deutsche Institute, so zum Beispiel die Deutsche Bank, Unicredit und die Commerzbank. Wer dort ein Depot besitzt, kann ein Gebot für die Porsche-Papiere abgeben. Das Unternehmen hat dafür eine Spanne von 76,50 Euro bis 82,50 Euro vorgegeben, irgendwo in diesem Rahmen müssen die Anleger ihr Gebot ansetzen. Da bereits jetzt mehr Anleger Interesse angemeldet haben als überhaupt Aktien zur Verfügung stehen, rechnen viele Experten mit einem endgültigen Preis am oberen Ende der Spanne. Wer also sichergehen möchte, bereits vor dem Börsengang zumindest ein paar Porsche-Papiere zu ergattern, muss vermutlich wohl oder übel einen eher hohen Preis in die Maske seines Depotanbieters eintippen.

Was, wenn Anleger im Vorverkauf keine Aktien ergattern?

Anleger sollten sich vom Massenandrang auf die Porsche-Titel sowieso nicht unter Druck setzen lassen: Sie können die Titel auch nach Parkettstart am Donnerstag oder einfach irgendwann in den kommenden Monaten über die Börse kaufen. Am Donnerstag startet schließlich der reguläre Börsenhandel der Papiere, bei dem manche Anleger ihre Titel sofort auf den Markt werfen werden - und andere kaufen. Aus diesen Orders bilden Kurssteller an der Börse ab circa 09.15 Uhr einen ersten Kurs, dann startet die Aktie in den laufenden Handel. Ab dann können alle Anleger die Porsche-Papiere kaufen, egal ob ihre Bank oder ihr Broker bei der Vorbereitung des Börsengangs mit dabei war oder nicht.

Wird die Porsche-Aktie am ersten Handelstag davonrasen?

Schwer zu beurteilen. Einerseits könnten viele Anleger, die im Vorhinein keine oder nur wenige Titel aufschnappen konnten, im laufenden Handel nachkaufen. So könnte sich nach Börsenstart eine Kaufwelle über den Markt entladen und den Kurs in die Höhe treiben, vielleicht gestützt durch die notorische Kurspflege der Investmentbanken in den ersten Tagen nach einem Börsengang. Genauso gut könnte es manchen Anlegern aber auch dämmern, dass sie - je nach erstem Kurs - möglicherweise überteuert eingekauft haben. Da die aktuelle Börsenlage mies ist, müsste Porsche schnell liefern, um die Anlegerstimmung gegen den allgemeinen Markttrend hochzuhalten.

Wie teuer ist die Porsche-Aktie?

Auf der Straße ein Flitzer, an der Börse ein Bolide? Würden die Investmentbanken die Porscheaktien am Ende des Vorverkaufs zu 82,50 Euro an die Anleger bringen, wäre das gesamte Unternehmen Porsche rund 75 Milliarden Euro schwer. Wer das in Porsche-Flitzer umrechnet, kommt auf die eindrückliche Zahl von rund 660 000 Wagen des legendären Porsche-Modells 911. Seriöser lässt sich das Unternehmen jedoch im Vergleich zu anderen noblen Autobauern messen: So ist Mercedes an der Börse nur 55 Milliarden Euro schwer, Konkurrent BMW nur 47 Milliarden. Porsche würden den etablierten deutschen Autobauern am Parkett also meilenweit davonfahren, obwohl der Umsatz grob nur ein Viertel der Konkurrenz beträgt. "Diese Bewertung ist enorm ambitioniert", sagt Finanzprofessor Volker Brühl vom Frankfurter Center for Financial Studies, der früher selbst Investmentbanker war und sich intensiv mit Börsengängen befasst. Die zentrale Frage für Anleger ist also, ob Porsche seinen Preis auch tatsächlich wert ist.

Wie steht es wirtschaftlich um Porsche?

Im ersten Halbjahr schwächelte der Autoverkauf, mit nur noch 145 000 Wagen verkaufte der Autobauer fünf Prozent weniger als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Allerdings konnte der Konzern bei Umsatz, Gewinn und Rendite zulegen - auch aufgrund höherer Preise, die für die vermögenden Kunden kaum ein Problem sind. Die Gewinnmarge des Autobauers ist mit rund 16 Prozent üppig, je Auto könnten bei Porsche in diesem Jahr rechnerisch rund 19 000 Euro Gewinn hängen bleiben, wenn der Konzern seine Absatzprognose erfüllt.

Wo liegen die Risiken?

Gut, aber nicht gut genug - so beurteilen viele Investoren die Gewinnspanne von Porsche. Mit einer Marge von 16 Prozent liegt der Zuffenhausener Konzern nämlich noch weit entfernt von anderen Luxusunternehmen wie den Champagnerproduzenten von LVMH oder den Handtaschenmachern von Hermès, bei denen 25 oder gar mehr als 40 Prozent des Umsatzes als Gewinn hängen bleiben. "Das wiederum ist aktuell völlig illusorisch für viele Autobauer", sagt Börsenexperte Brühl, weil momentan nicht nur Autoteile teurer werden, sondern auch die Löhne kräftig steigen. Experten sehen außerdem kritisch, dass Porsche rund ein Drittel seiner Autos in China verkauft, das am Beginn eines geopolitischen Konflikts mit dem Westen stehen könnte. "Das China-Risiko ist überhaupt nicht eingepreist", sagt Anlegerschützer Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK).

Porsche versus Ferrari - wer macht das Rennen?

Auf den ersten Blick wirken beide Autobauer denkbar ähnlich: Beide bauen Luxuskarossen, beide entspringen großen Autokonglomeraten. So wurde Ferrari 2015 aus dem Fiat-Reich herausgelöst, Porsche soll nun mit dem Börsengang unabhängiger vom Volkswagen-Konzern werden. Während Porsche im abgelaufenen Jahr rund 300 000 Autos verkaufte, liefen bei Ferrari nur 11 000 Stück aus den Werkshallen. "Porsche setzt viel stärker als Ferrari auf Massenproduktion", sagt Experte Volker Brühl. Rund die Hälfte der ausgelieferten Fahrzeuge des legendären Zuffenhausener Autobauers sind außerdem keine Sportwagen wie der Klassiker 911, sondern in Wirklichkeit gängige SUV mit Markennamen wie Cayenne und Macan. Den vielventilierten Vergleich, dass die Ferrari-Aktien seit ihrem Börsengang vor mehr als sechs Jahren davongerast sind und rund 360 Prozent an Wert gewonnen haben, sollten Anleger daher mit Vorsicht genießen.

Porsche-Chef Oliver Blume steht heftig in der Kritik - müssen sich Anleger Sorgen machen?

Blume will nicht nur Chef des Volkswagen-Konzerns bleiben, sondern auch bei Porsche am Chefsessel kleben. "Das geht einfach gar nicht", meint Anlegerschützer Marc Liebscher von der SdK, "das stinkt aus allen Rohren." So könnte der Porsche-Chef mit VW künftig zum Beispiel über den Preis von Entwicklungsleistungen verhandeln müssen und stünde mitten in einem handfesten Interessenkonflikt. Experten stoßen sich außerdem an der gesamten Konstruktion des Börsengangs: Während die Familien Porsche und Piëch über ihre Holdinggesellschaft Aktien mit Stimmrecht bekommen, erhalten die Privatanleger nur Vorzugsaktien ohne Recht zur Stimmabgabe. Außerdem will der VW-Konzern rund die Hälfte der Einnahmen aus dem Porsche-Börsengang als Sonderdividende ausschütten, was auch in die Kassen des Porsche-Clans fließt. "Das ist ein Geschenk an die Familien Porsche und Piëch", sagt Finanzprofessor Brühl, "eigentlich bräuchte VW das Geld, um fit für die Zukunft zu werden." Für viele Parkettprofis hat der Börsengang also ein Geschmäckle.

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