Süddeutsche Zeitung

Paketlieferungen:Lasst das Porto steigen!

Lesezeit: 2 min

Im kommenden Jahr könnte sich das Porto für Pakete erhöhen. Gut so! Mit höheren Preisen wird alles besser - für gestresste Paketboten, die Umwelt und sogar für die Kunden, die mehr Geld bezahlen müssen.

Kommentar von Christoph Gurk

Kleine Kinder rätseln darüber, ob nun das Christkind an Heiligabend die Geschenke bringt oder doch der Weihnachtsmann. Wie auch immer, eines ist sicher: Die schönen Gaben, die da unter dem Baum liegen, werden immer öfter im Internet bestellt und dann vom Paketboten geliefert. Elf Millionen Päckchen täglich wird alleine die Post in der Vorweihnachtszeit zustellen. Das hat das Unternehmen gerade angekündigt und dazu noch gleich erklärt, die Preise für Geschäftskunden ab 2019 anzuheben. Das werden letztendlich auch die Privatkunden spüren. Denn andere Paketdienste werden mitziehen und am Ende dürften die Onlinehändler die Preissteigerung an die Konsumenten weitergeben. Viele werden sich darüber ärgern. Eigentlich aber sollten sich die Deutschen über die erhöhten Preise freuen. Bestellungen im Netz kamen bisher zwar günstig oder gratis nach Hause. Kostenlos waren die Lieferungen aber nie, den Preis haben einfach nur andere gezahlt: Gestresste Paketboten, die Umwelt und die Stau geplagten Pendler.

Denn längst schon findet der Paketboom nicht nur vor Weihnachten statt. Im Netz gibt es heute von Windeln bis zu Winterreifen alles zu kaufen und immer öfter greifen Kunden auch nicht mehr zum Einkaufskorb, wenn sie Gemüse oder Pasta brauchen, sondern zur Computermaus. Insgesamt gab es alleine letztes Jahr in Deutschland 3,35 Milliarden Sendungen. Das macht im Schnitt 41 Lieferungen pro Haushalt. Bis zum Jahr 2025 könnte sich ihre Menge sogar verdoppeln, das wären dann sechs Milliarden Sendungen pro Jahr. Ein Wahnsinn, bedenkt man, dass viele Paketdienste schon jetzt am Limit arbeiten.

Die Zusteller sind gestresst, überarbeitet und vor allem auch schlecht bezahlt. Mehr Lohn ist jedoch nicht drin, sagen die Unternehmen, denn während die Menge der Sendungen von Jahr zu Jahr steigt, sinken gleichzeitig die Erlöse pro Paket. Schuld daran sind vor allem die Rabatte für Großkunden, genau jene Onlinehändler also, die ihre Kunden mit billigen Versandgebühren locken. Trotz des Booms meldete der Paketdienst Hermes darum 2017 Millionenverluste. Und die Deutsche Post musste im Sommer ihre Gewinnprognose um fast eine Milliarde nach unten korrigieren. Ein höheres Paketporto ist für Firmen und Fahrer also nicht Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

Egoistischen Kunden werden die Probleme der Arbeiter vermutlich egal sein, Hauptsache, die Lieferung kommt pünktlich. Aber selbst diese Zeitgenossen leiden am Ende unter dem Paketwahn. Wer nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause wieder im Stau steht, könnte selbst schuld am Verkehrschaos sein. Denn in dem Lieferwagen, der da vorne in zweiter Reihe parkt, liegen bestimmt auch die eigenen Pakete. Bis zu 30 Prozent des Verkehrs entstehen in deutschen Innenstädten heute durch Gütertransporte. In Stoßzeiten, sagen Studien, sind Lieferwagen für 80 Prozent der Staus verantwortlich.

Dazu verpesten die Transporter auch noch die Luft. 2016 war gerade mal jeder siebte Paketwagen mit einem sauberen Dieselmotor ausgestattet. Investitionen wären also dringend notwendig, doch solange Kunden nicht bereit sind, ein paar Cent mehr für ihre Pakete zu bezahlen, werden Firmen auch nicht im großen Maßstab investieren, egal ob es nun um die viel beschworenen Lieferdrohnen geht oder um eine saubere Lieferflotte.

Die große Ironie bei all dem ist, dass auch die Kunden selbst immer öfter nicht mehr zufrieden sind mit den Lieferungen. Beim Verbraucherservice Post der Bundesnetzagentur waren schon im Juni dieses Jahres fast so viele Beschwerden von Kunden eingegangen wie zuvor im gesamten Jahr 2017. Und nun steht die Weihnachtszeit vor der Tür, elf Millionen Pakete allein bei der Post, noch mehr Staus, noch mehr schlechte Luft und noch mehr schlechte Laune. Ein höheres Porto wird diese Probleme nicht alle auf einmal lösen, es wird aber dabei helfen, sie zumindest einmal anzugehen. Und davon profitieren im besten Falle alle, die Firmen und die Fahrer, genauso wie die Umwelt, die Gesellschaft - und sogar die Kunden selbst.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4200493
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.