Süddeutsche Zeitung

Pakete:Deutschland im Pakete-Frust

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Von Jan Schmidbauer

Ein dünnes Stück Pappe, nicht viel größer als ein Handy, kann einem den ganzen Tag verderben. "Ihr Paket ist da", so lautet meist die freudige Mitteilung auf dem Zettel des Versenders. Das Wort "da" kann allerdings vieles bedeuten: Etwa, dass die wichtige Sendung beim Nachbarn gelandet ist, der in den kommenden sechs Tagen nicht die Tür öffnen wird. Oder, dass das Paket so zerquetscht im Briefkastenschlitz steckt, dass der Empfänger nur noch um seinen Wohlerhalt beten kann.

Zerknüllte, verspätete oder gar verloren gegangene Sendungen sind zwar weiterhin die Ausnahme. Bei den Kunden wächst allerdings der Frust. Die zuständige Bundesnetzagentur registrierte im vergangenen Jahr 3900 Beschwerden über Postlieferungen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Und beim Großteil der Beschwerden ging es, na klar, um Pakete.

Am kommenden Montag will die Behörde erneut über das Ausmaß des Pakete-Frusts informieren. Kurz vor Weihnachten, wo das pünktliche Ankommen eines Pakets schonmal über den Familienfrieden entscheiden kann, könnten die Zahlen für Aufmerksamkeit sorgen. Ein Wert, der schon vorab bekannt wurde, zeigt bereits das Ausmaß des Problems: Die Zahl der Schlichtungsanträge soll sich zuletzt verdreifacht haben. Kunden wenden sich also deutlich häufiger an die Bundesnetzagentur, weil sie im Streit mit dem Paketdienstleister nicht weiter kommen.

Der wachsende Frust der Kunden hängt auch mit ihrem Einkaufsverhalten zusammen. Die Zahl der verschickten Pakete ist durch den Online-Handel massiv gestiegen. Nach Angaben des "Bundesverbands Paket und Express Logistik" ließen sich die Deutschen im vergangenen Jahr fast 3,2 Milliarden Pakete schicken. Innerhalb eines Jahres nahm die Zahl der Lieferungen also um mehr als sieben Prozent zu.

Bücher, Möbel, Autoreifen oder sogar frische Lebensmittel: Manche Kunden bestellen beinahe alles im Netz. Was für sie bequem ist, scheint manchen Postanbieter jedoch zu überfordern. Um den Aufwand zu verringern, denken die Anbieter DPD und Hermes bereits über Zusatzgebühren nach. Eine Lieferung an die Haustür könnte künftig mehr kosten als eine Lieferung in den Paketshop, sagten beide Unternehmen der Wirtschaftswoche.

Verbraucherzentrale startet neues Beschwerde-Portal

Gewerkschaften und auch die Anbieter selbst weisen regelmäßig darauf hin, dass die Pakete-Flut mit dem bestehenden Personal kaum noch bewältigt werden kann. Weil die meisten Paketdienstleister nur vergleichsweise niedrige Löhne zahlen, fällt es ihnen schwer, neue Mitarbeiter zu rekrutieren und sie langfristig zu halten. Dieses Problem sehen auch die Verbraucherzentralen.

Bei ihnen gehen ebenfalls deutlich mehr Beschwerden über verspätete oder beschädigte Pakete ein. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen will deshalb ein neues Portal starten, auf dem sich Kunden über Paketdienstleister beschweren können. Wie die Verbraucherschützer am Sonntag mitteilten, soll die Seite "Post-Aerger.de" für einen Zeitraum von zwei Jahren freigeschaltet werden. Bis zum Herbst dieses Jahres hatte die Verbraucherzentrale bereits das Portal "Paket-Ärger" geführt, das in zwei Jahren etwa 21 000 Menschen genutzt haben. Weil Kunden sich zunehmend auch über verspätet zugestellte Briefe und unerwünschte Werbung am Telefon beschwerten, wollen die Verbraucherschützer das neue Portal auch auf diese Bereiche anwenden.

Die deutsche Post, die mit Abstand am meisten Pakete in Deutschland ausliefert, weist die Kritik an der Zuverlässigkeit erneut zurück. Ihre Brief- und Paketzusteller lieferten jeden Werktag 59 Millionen Briefe und mehr als 4,3 Millionen Pakete aus, sagte ein Sprecherin. 94 Prozent der Briefe erreichten ihre Empfänger bereits am nächsten Werktag, bei den Paketen seien es 90 Prozent.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2017
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