Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Bund investiert Millionen in Öl und Kohle

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Eigentlich wollte der Bund das Geld in seinen Pensionsfonds grün anlegen. Nun aber zeigt sich: Die Anlagen sind überraschend dreckig.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Wenn offizielle Stellen etwas künftig "großschreiben" wollen, dann ist in der Regel eine gesunde Portion Skepsis geboten. Wer etwas wirklich tut, braucht schließlich nicht laut herumzuposaunen. Und sowieso klingt großschreiben eher nach geduldiger Papierarbeit als tatsächlichem Handeln. Vielleicht war es also per se verdächtig, als das federführende Bundesinnenministerium im vergangenen Mai verlautbarte, man wolle bei großen Pensionsfonds des Bundes künftig Klimaschutz und Nachhaltigkeit - " großschreiben".

Knapp ein Jahr später zeigt sich, dass allenfalls ein kleiner Wurf gelungen scheint: Öffentliche Dokumente legen nahe, dass die Kapitalverwalter des Staates das Geld aus drei Pensionsfonds und einem Pflegetopf immer noch in Kohle- und Ölaktien investieren, darunter zum Beispiel Titel des umstrittenen Ölkonzerns Exxon Mobil.

Bei den vier Finanztöpfen geht es um Rücklagen in Höhe von 46,5 Milliarden Euro, von denen die meisten Bundesbürger noch nie etwas gehört haben dürften. So will der Bund mit seinem " Versorgungsfonds" und der "Versorgungsrücklage" in einigen Jahren die Pensionen von Beamten bestreiten, mit dem " Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit" die der dortigen Mitarbeiter und mit dem " Pflegevorsorgefonds" die Pflegekassen aufpolstern. Knapp 80 Prozent des Geldes der Fonds liegen derzeit in Zinsanlagen, etwas mehr als 20 Prozent aber auch in Aktien.

Eigentlich will der Bund die genaue Zusammensetzung der Aktienportfolien nicht offenlegen, "um mögliche Marktmanipulationen auszuschließen", wie es aus dem Bundesinnenministerium heißt. Allenfalls die 20 wichtigsten Aktienpositionen von rund 140 Titeln rückten die Ministerialbeamten in der Vergangenheit heraus. Die Transparenz über immerhin etwas mehr als die Hälfte der Aktienanlagen kam nun unverhofft: Der Indexanbieter Euronext hat auf seiner Internetseite vermutlich versehentlich eine ausführliche Aktienliste eines Teils der Bundesanlagen offengelegt. Rund ein Drittel des Aktienanteils der vier Fonds soll schließlich einem Index mit dem sperrigen Titel " Euronext V.E ESG- World- Select 75 Bund/ SV Index" folgen, für die die Fonds sogar auf den riesigen Datensatz der Nachhaltigkeitsforscher der renommierten Agentur Vigeo Eiris zurückgreifen.

Zu einer kreuzgrünen Anlagepolitik führt das jedoch nicht, schließlich offenbart die Mitgliederliste des Kurskorbs gleich mehrere auffällige Unternehmen: So ist im Index unter anderem der Ölmulti Exxon Mobil vertreten, an dem sich Kritiker seit Jahren abarbeiten und bei dem erst ein Hedgefonds im vergangenen Jahr überhaupt Klimavertreter in entscheidende Positionen brachte. Daneben findet sich auch das Kohlebergbau-Unternehmen Anglo American im Portfolio sowie die Ölbohrfirma Canadian Natural Resources und das Ölpipeline-Unternehmen Enbridge aus den USA. Die Firma Marathon Petroleum wiederum mischt gleich in allen Teilen des Ölbusiness mit, von Raffinerien über Pipelines bis hin zu Tankstellen. "Sollte der Bund solche Fossilkonzerne nicht aktiv ausschließen, bleiben die staatlichen Aktiengeschäfte auf Anti-Klima-Kurs", sagt Mathias von Gemmingen von der Klimaorganisation Fossil Free Berlin.

Fossile Energien sind für das Innenministerium "Brückentechnologien"

Kalkulationen der SZ auf Basis von Angaben des Bundesinnenministeriums zeigen, dass derzeit knapp 75 Millionen Euro in den Aktien der fünf Kohle- und Ölunternehmen liegen dürften. Da der Bund bis Ende des Jahres mit noch mehr Geld dem Euronext-Index folgen will, dürfte diese Summe gar noch steigen.

Im Bundesinnenministerium will man von der umstrittenen Anlagepraxis nicht abweichen. Ein Anlageausschuss aus gleich vier Ministerien und vier externen Mitgliedern hat das Nachhaltigkeitskonzept der Anlagen schließlich intensiv beraten: Geächtete Waffen, Menschenrechtsverletzungen, Tabak und Atomkraft sind seit Mitte vergangenen Jahres ausdrücklich tabu - fossile Anlagen nicht. Auf Anfrage teilt das Innenministerium dazu mit, es handele sich bei fossilen Energieträgern "nach wie vor um Brückentechnologien, auf die sowohl die Wirtschaft als auch die Gesellschaft gegenwärtig angewiesen sind". Manche der fossilen Unternehmen befänden sich gar in einem Transformationsprozess hin zu grünen Energien, den man nicht abstrafen dürfe.

Eine Argumentationslinie, mit der zumindest manche Bündnisgrüne in der Bundesregierung ein Problem haben dürften. So mahnte Grünen-Chefin Ricarda Lang vor wenigen Tagen, Kohle sei eben " keine Brückentechnologie". Und vor wenigen Jahren interessierte sich ausgerechnet eine Grünen-Abgeordnete in einer schriftlichen Anfrage auffallend kritisch für die Investments der Bundesanlagen. Heute ist die Fragestellerin von damals Bundesaußenministerin.

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