Süddeutsche Zeitung

Novartis:Von nichts gewusst

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Der Schweizer Pharmakonzern soll im Zulassungsverfahren für das teuerste Medikament der Welt verschwiegen haben, dass einige Testdaten manipuliert wurden. Die US-Arzneimittelbehörde FDA untersucht nun den Fall.

Von Kathrin Zinkant, München

Es hatte so ausgesehen, als bliebe das Aufregendste an Zolgensma der Preis. Zwar ist das gentherapeutische Medikament des Pharmaunternehmens Novartis auch medizinisch sehr spektakulär: Es kann kleine Kinder von einem rasch tödlichen, erblich bedingten Muskelschwundleiden heilen. Mehr als spektakulär allerdings ist, wenn auf dem Preisschild 2,1 Millionen Dollar steht.

Seit Dienstag gibt es nun jedoch ganz andere Aufregung um das teuerste Medikament der Welt. Wie die US-Zulassungsbehörde FDA mitteilte, hat Novartis der FDA im Zulassungsverfahren von Zolgensma Informationen über manipulierte Daten vorenthalten. Das Unternehmen hatte demnach schon im März dieses Jahres und damit zwei Monate vor der Zulassung des neuartigen Medikaments gewusst, dass die Gentherapie-Tochter des Konzerns, Avexis, tierexperimentelle Ergebnisse verfälscht hatte. Avexis informierte die Zulassungsbehörde erst Ende Juni über die Manipulation. Die Daten waren für die sogenannte Biologics License Application des Medikaments von Bedeutung gewesen. Die Lizenz soll eine sauberes, sicheres und wirksames Produkt garantieren.

Der Konzern-Chef versichert, es handle sich um einen Einzelfall

Die FDA will die Zulassung des Medikaments nun zwar nicht zurückziehen. Die Behörde geht davon aus, dass die Gentherapie für bis zu zweijährige Kinder mit Spinaler Muskelatrophie keine zusätzlichen Risiken birgt und effektiv bleibt. Der Leiter der zuständigen Abteilung in der FDA, Peter Marks, sagte jedoch, dass man den Fall nun genau untersuchen werde und Novartis möglicherweise mit zivil- oder sogar strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müsse. Für den Konzern wäre das ein weiterer Rückschlag nach einer Reihe unrühmlicher Begebenheiten, zu denen unter anderem Millionenzahlungen an den Anwalt des US-Präsidenten Donald Trump gehört hatten. Novartis waren neben Bestechungen auch illegales Marketing, Datenmanipulationen und ein ethisch fragwürdiger Umgang mit weiblichen Mitarbeitern vorgeworfen worden. Vasant Narasimhan, seit Februar 2018 Chef von Novartis, beteuerte am Mittwoch, dass es sich bei der aktuellen Datenmanipulation um einen Einzelfall handele, der sich "auf Labors an einem einzigen Standort" beziehe. Man habe die FDA informiert, sobald eine Bewertung vorlag. Der Kurs der Novartis-Aktie gab am Mittwoch leicht nach.

Für Narasimhan könnte der Fall dennoch problematisch werden. Der Harvard-Mediziner hatte sich zum Ziel gesetzt, die zweifelhafte Unternehmenskultur der vorangegangenen Jahre zu ändern - und das Geschäftsmodell des Konzerns stärker auf die Entwicklung neuartiger Arzneien zu fokussieren. Auch Kymriah, die erste in den USA zugelassene Gentherapie gegen eine therapieresistente Form von Blutkrebs, stammt von Novartis. Seit 2017 kommen allerdings immer neue, nicht minder innovative Gentherapien der Konkurrenz auf den Markt.

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SZ vom 08.08.2019
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