Süddeutsche Zeitung

Piëch-Nichten im VW-Aufsichtsrat:Aber herzlich willkommen

Lesezeit: 2 min

Von Angelika Slavik

Julia Kuhn-Piëch lächelt, als sie ihren Sitzplatz auf dem Podium einnimmt. Es ist ein sanftes, undurchdringliches Lächeln. In den nächsten Stunden wird dieses Lächeln zwischendurch wächsern werden, aber es wird ihr nicht ein einziges Mal entgleiten.

Julia Kuhn-Piëch, 34 Jahre alt, Juristin, ist seit genau sechs Tagen Aufsichtsratsmitglied bei Volkswagen. Neben ihr sitzt Louise Kiesling, 57, mit der sie diesen jüngsten Karrieresprung teilt. Kiesling leitet unter anderem den sehr noblen österreichischen Textilhersteller Backhausen. Beide sind Ferdinand Piëchs Nichten. Und jetzt sind sie auch seine Nachfolgerinnen.

Ferdinand Piëch ist nicht einverstanden, hat aber nicht formal widersprochen

Kuhn-Piëch und Kiesling übernehmen die Aufsichtsratssitze, die Ferdinand Piëch und seine Frau Ursula aufgeben mussten in diesem seifenoperngleichen Machtkampf, der den Konzern seit knapp vier Wochen in Atem hält. Ferdinand Piëch, so wurde es vermeldet, war mit der Berufung nicht einverstanden, angeblich zweifle er an der Eignung der Verwandtschaft - aber formal widersprochen hat er der Bestellung dann doch nicht. Insgesamt könnte man sich einfachere Startbedingungen vorstellen für einen Job im wichtigsten Kontrollgremium von Volkswagen. Und auch die Begrüßung durch die Aktionäre bei der Hauptversammlung fällt, nun ja, zweischneidig aus.

"Wirklich beneiden tue ich Sie nicht", sagt ein Aktionärsvertreter zu den neuen Aufsichtsrätinnen. "Sie treten in verdammt große Fußstapfen", ruft er und philosophiert dann darüber, dass ja zumindest "die Bundesregierung" diese Bestellung gut finden würde, wegen der Frauenquote. Dann schiebt er noch eher halbherzig "aber herzlich willkommen" hinterher. Der nächste Redner wird noch deutlicher: Er würde es begrüßen, wenn "die beiden Damen" sich den Aktionären persönlich vorstellen würden, sagt er. Damit man auch etwas erfahren könne über "ihren automobilen Hintergrund" jenseits der Familienzugehörigkeit. Kuhn-Piëch, Pferdeschwanz, graues Kostüm, flache Schuhe, lächelt das undurchdringliche Lächeln.

Es gab keine Abstimmung über die Berufung

Knapp vier Stunden später wird sie ans Rednerpult treten und ihren Lebenslauf referieren: Jura-Studium an der Universität Wien, im Anschluss Studium an der Technischen Universität, seither selbständige Immobilienmanagerin. Seit 2014 sitzt sie außerdem im Aufsichtsrat von MAN - auf Initiative ihres Onkels Ferdinand Piëch übrigens, aber das erwähnt sie nicht. Sie freue sich auf die Aufgabe, sagt sie noch, keine zwei Minuten dauert das. Dann sitzt sie wieder auf ihrem Platz, und das sanfte Lächeln ist ebenfalls zurück.

Auch Louise Kiesling legt ihre Qualifikation dar, sie holt ungleich weiter aus. Sie erzählt von ihren Kenntnissen im Designbereich, von ihren Anstrengungen bei Backhausen, von ihrer Tätigkeit in der Jury eines Preises für Industriedesign. Sie sagt, dass es ihr "am Herzen" liege, dass Volkswagen in Sachen Innovation und Qualität "seine Spitzenposition" behalte und damit auch die Arbeitsplätze sichere. Es ist ein routinierterer Auftritt als der ihrer Cousine, aber beide, so wirkt das im Saal, haben mit dem spontanen Auftritt Punkte gemacht, Frauenquote hin oder her.

Entscheidend ist das an diesem Tag nicht, über die Berufung von Kiesling und Kuhn-Piëch wird nicht abgestimmt. Beide wurden gerichtlich bestimmt - weil die Ereignisse der vergangenen Wochen zu kurzfristig waren, um eine fristgerechte, reguläre Bestellung möglich zu machen. Man könnte fast sagen: Das haben sie Onkel Ferdinand zu verdanken.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2015
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