Süddeutsche Zeitung

Mobilfunkanbieter:Kundenabzocke muss härter geahndet werden

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Es ist für Verbraucher extrem ärgerlich, dass sich Mobilfunkanbieter nicht an die neuen Kündigungsfristen halten. Der eigentliche Skandal ist aber, dass das in dieser Branche niemanden mehr wundert. 

Kommentar von Simon Groß

Wer im Supermarkt einkauft, geht in der Regel davon aus, nur das zu erwerben, was er aufs Band an der Kasse legt. Wer allerdings einen Vertrag bei einem Mobilfunkanbieter abschließt, der bekommt gelegentlich etwas mehr, als er eigentlich will, und sollte sich gut überlegen, ob er nicht vorsorglich auch noch eine Rechtsschutzversicherung abschließt. Auf diese Idee könnte man zumindest kommen angesichts der bemerkenswerten Fülle an Negativ-Anekdoten, die über diese Branche im Umlauf sind. Gefühlt gibt es kaum jemanden, der nicht eine nervige Geschichte zu irgendeinem Handy- oder Internetvertrag erzählen könnte, oft garniert mit Worten wie "Abzocke", "Betrug" oder weniger Zitierfähigem.

Nun haben Recherchen der Süddeutschen Zeitung gezeigt, dass manche Anbieter von Handy- und Internetverträgen, wie Mobilcom-Debitel und 1&1, Kunden eine kürzere Kündigungsfrist verweigern, obwohl sie seit Dezember dazu verpflichtet sind. Denn seit Inkrafttreten des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes ist es möglich, Verträge nach Ende der Mindestlaufzeit mit einer monatlichen Frist zu kündigen. Zuvor haben sich solche Verträge automatisch um ein weiteres Jahr verlängert - oft zum Ärger von Kunden, die es versäumt hatten, rechtzeitig zu kündigen. Manche verpassten immer wieder den Absprung und hingen in einer Art Vertragskarussell fest. Damit sollte endlich Schluss sein. Doch Verbraucherzentralen berichten von zahlreichen Fällen, in denen Anbieter ihre Kunden nicht aus den Verträgen lassen - mitunter mit der Begründung, das neue Recht gelte nicht für Bestandsverträge. Davon ist im Gesetz allerdings keine Rede.

Mobilcom-Debitel und 1&1 sprechen von Einzelfällen, die der Anpassung an die neue Regelung geschuldet seien und betonen, sich grundsätzlich an geltendes Recht zu halten. Den betroffenen Kunden hilft das nicht. Der eigentliche Aufreger ist aber, dass das in einer Branche, in der selbst schon Haustiere Verträge untergeschoben bekamen (für die freilich ihre Besitzer aufkommen sollten), niemanden mehr überrascht.

Das fängt schon beim sogenannten Kundenservice an, den manche Anbieter höchst eigenwillig interpretieren. Kunden sollen laut Verbraucherzentralen im Oktober und November verstärkt abtelefoniert worden sein, um ihnen vor der Gesetzesänderung neue Verträge schmackhaft zu machen, für die die neue Kündigungsfrist erst einmal nicht greift. Kundenbindung mal anders. Ob die Anbieter im Vorfeld überhaupt über die Gesetzesänderung informiert haben? Das hätten ja unter anderem Politik, Verbraucherzentralen und die Presse übernommen, heißt es von 1&1 auf Anfrage. Na dann.

Die Krönung der Kundenknechtung hat jedoch ein anderer Anbieter vollbracht. In einigen Fällen wurden Kunden, und einmal sogar dem Kater einer Kundin, Vodafone-Verträge untergeschoben, die sie eigentlich gar nicht wollten. Vergangenes Jahr stellte Vodafone selbst Strafanzeige gegen jene Vertriebspartner, die im Auftrag des Unternehmens Verträge ohne Zustimmung der Kunden abgeschlossen hatten. Vodafone selbst sei zum Geschädigten geworden, hieß es vom Konzern.

Verbraucher sollten sich wehren

Das mag sein, doch mit seiner Rechtfertigung verkennt der Anbieter einen wesentlichen Punkt: Ob Mobilfunkkonzerne sich vorsätzlich daneben benehmen oder Fehler schlicht geschehen lassen, ist zweitrangig. Entscheidend ist, dass sie in der Verantwortung stehen, dafür zu sorgen, anständig mit ihren Kunden umzugehen. Es ist ihre Aufgabe, die korrekte Arbeit beauftragter Unternehmen und die reibungslosen Abläufe in den Kundencentern sicherzustellen. Andere Unternehmen - und ja, sogar Mobilfunkanbieter - schaffen das auch. Um die Motivation für einen besseren Umgang mit Kunden in der Branche zu steigern, wäre es sicher hilfreich, wenn die Bundesnetzagentur bei Verstößen deutlich höhere Geldstrafen verhängen oder, in gravierenden Fällen, mit dem Entzug der Lizenz drohen würde. Fehlverhalten müsste den Konzernen jedenfalls deutlich mehr weh tun als bisher.

Bis dahin sollten sich Verbraucher nichts gefallen lassen und ihre Rechte selbst durchsetzen, sich an die Verbraucherzentralen oder die Schlichtungsstelle der Bundesnetzagentur wenden, die ihnen dabei helfen.

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