Süddeutsche Zeitung

Mobilfunk:Warum Handyverträge in Deutschland so teuer sind

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Von Marlene Thiele

Mobiles Surfen wird billiger - das bemerkt jeder, der regelmäßig den Handyvertrag wechselt und danach auf das dreifache Datenvolumen zugreifen kann. Ein Blick in die Handyshops der Nachbarländer trübt die Freude über das vermeintliche Schnäppchen jedoch schnell wieder: Im EU-weiten Vergleich zahlt man in Deutschland ziemlich viel pro Gigabyte - und das, obwohl es noch viele weiße Flecken beim Handyempfang gibt.

Die finnische Beratungsfirma Rewheel vergleicht regelmäßig die Preise für mobiles Internet in den 28 EU-Ländern sowie in den OECD-Staaten, basierend auf Verträgen mit mindestens 1000 Freiminuten und einer Übertragungsgeschwindigkeit ab drei Megabit pro Sekunde. Für 30 Euro erhalten Handynutzer in Deutschland 15 Gigabyte, das bedeutet den äußerst schwachen 21. Platz. In Österreich gibt es für 20 Euro schon 30 Gigabyte und in den Niederlanden surft man für 25 Euro ganz ohne Limit.

Die Mobilfunkanbieter begründen die verhältnismäßig hohen Preise mit den hohen Kosten für die Lizenzen und für den Netzausbau, der in einem großen und bergigen Land wie Deutschland teuer sei. "Das ist Unsinn", sagt Torsten Gerpott, der an der Universität Duisburg-Essen zur Telekommunikationswirtschaft forscht. "Auch in anderen Ländern sind Frequenzen in der Vergangenheit versteigert worden, und nationale Flächendeckung haben die Netzbetreiber in den anderen europäischen Ländern auch."

Den Grund für die hohen Preise sieht er stattdessen in der überschaubaren Wettbewerbssituation in Deutschland. Von vornherein wurden die Unternehmen, die hierzulande ein Netz betreiben können, auf vier beschränkt. Die Lizenzen für das GSM-Netz, den Mobilfunkstandard der zweiten Generation, wurden von 1989 bis 1996 zeitlich versetzt vergeben. Bei einer Versteigerung durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2000 erhielten alle vier GSM-Netzbetreiber auch eine Lizenz für das UMTS-Netz, den Mobilfunkstandard der dritten Generation. Die Kosten waren hoch und an die Verpflichtung gebunden, das Mobilfunknetz auszubauen. Seit der Übernahme von E-Plus durch Telefónica gibt es in Deutschland nur noch drei Netzbetreiber, die den Markt zu fast gleichen Teilen unter sich aufteilen: Telekom, Vodafone und Telefónica.

2019 steht die nächste Frequenzversteigerung an. Derzeit gibt es Gerüchte, dass United Internet erwägt, ein eigenes Netz aufzubauen und somit zum vierten Konkurrenten zu werden. Aber auch das wird den Wettbewerb nicht wesentlich verändern.

Als einzige Alternative bleibt dem Kunden der Wechsel zu einem Service-Provider. Das sind Mobilfunk-Anbieter, die kein eigenes Netz betreiben, sondern über Kooperationsverträge auf die Netzstruktur der großen Anbieter zugreifen. Dazu gehören in Deutschland zum Beispiel Drillisch, das seit letztem Jahr mehrheitlich zu United Internet gehört, Lycamobile, Tochterfirmen der Netzbetreiber und zahlreiche Branding-Marken, etwa von Discount-Supermärkten. Die Discounter sind eigentlich nur Zwischenhändler. Sie kaufen den Netzbetreibern große Datenpakete ab und geben diese an die Kunden weiter. Dadurch sind ihre Tarife von den Preisen der Netzbetreiber abhängig. Indem die Billig-Anbieter darüber hinaus auf Beratung in Shops, auf maximale Surfgeschwindigkeit und meist auch auf das subventionierte Smartphone verzichten, können sie ihren Kunden vergleichsweise günstige Verträge anbieten.

Ein Wechsel zum ausländischen Anbieter ist nicht möglich

Keine Alternative ist hingegen der Wechsel zu einem ausländischen Anbieter. Zwar kann man seit 15. Juni 2017 EU-weit zu den gleichen Konditionen telefonieren und im Internet surfen wie im Inland, ein Vertrag, etwa bei einem günstigen französischen Anbieter, ist in Deutschland aber nicht erlaubt. "Da gilt die sogenannte Fair-Use-Policy", sagt Gerpott. Damit soll der Missbrauch der neuen Telefon-Freizügigkeit unterbunden werden.

Wer längere Zeit ins EU-Ausland reist, muss sich aber keine Sorgen machen, wenn er eine feste Bindung nach Deutschland nachweisen kann. Als Beleg akzeptiert Telefónica beispielsweise den Nachweis einer Arbeitsstelle im Inland, eine Immatrikulationsbescheinigung für ein Vollstudium, einen Auszug aus dem Melderegister, Mietverträge oder andere Dokumente, aus denen eine zukünftige Hauptnutzung in Deutschland hervorgeht.

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Quelle:
SZ vom 09.10.2018
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