Süddeutsche Zeitung

Microsoft:Sieben Milliarden Spieler

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Spartenchef Phil Spencer freut sich über die große Aufmerksamkeit und spricht über seine Ziele.

Von Jürgen Schmieder

Natürlich genießt Phil Spencer Auftritte wie den auf der Computerspielemesse E3 in Los Angeles: Das Publikum johlt und jubelt bei jedem der 60 vorgestellten Spiele und noch ein bisschen mehr bei der Ankündigung einer neuen Konsole. Der Spielechef von Microsoft wird in dieser Halle im Stadtzentrum wie ein Heiliger verehrt. Seit 31 Jahren arbeitet er bei Microsoft. Ein paar Stunden nach der Show sitzt Spencer, 51, in einem kleinen Raum hinter der Bühne und ist noch immer prächtig gelaunt.

SZ: Sie haben eine neue Konsole und den Streamingdienst "Xcloud" vorgestellt. Das klingt zunächst wie ein Widerspruch, wo doch gerade viele Leute vom möglichen Ende der Konsolen sprechen . . .

Phil Spencer: Letztlich geht es uns darum, dass die Leute spielen. Wie das funktioniert, sollte hinter den Kulissen ablaufen. Es kann sein, dass jemand auf seiner Konsole zockt, dann nimmt er das Spiel über die Möglichkeit des "Console Streaming" auf seinem Telefon mit - und dann schaltet jemand daheim das Gerät aus, und der Nutzer wechselt auf die Streamingplattform "Xcloud". Es geht darum, den Leuten die Möglichkeit zu geben, dass sie spielen können, wann immer sie wollen und wo immer sie wollen.

Gibt es die Gefahr, ein Streamingportal zu früh bereitzustellen, wenn es möglicherweise noch nicht reibungslos funktioniert?

Es wäre ein Fehler, den Leuten zu sagen, was sie tun sollen. Wir werden keinesfalls fordern: "Jetzt gibt es das Spielen in der Datenwolke, also braucht es keine Konsole oder Computer mehr!" Die qualitativ hochwertigste Erfahrung beim Spielen wird noch auf Jahre hinaus die auf einem lokalen Gerät sein, also Konsole oder PC. Wir sehen Cloud Gaming derzeit nicht als Konkurrenz, sondern als Erweiterung. Wir bieten den Leuten verschiedene Varianten und lassen sie entscheiden.

Wird die neue Konsole noch ein Laufwerk für Datenträger haben?

Ja.

Bei Streamingplattformen im Videobereich gibt es gerade einen erbitterten und sehr teuren Kampf um Inhalte. Wie groß ist die Gefahr, zu viel auszugeben für neue Spiele?

Wir haben den Rückhalt des Konzerns, der Computerspiele als Wachstumsmarkt sieht.

Mit Verlaub: Zahlreiche Streamingportale schreiben gerade ordentliche Verluste.

Wir werden nicht in jedem Jahr sieben Entwickler übernehmen, wie wir das in diesem Jahr getan haben. Aber wir werden investieren, wenn wir erkennen, dass die Zahl der Abonnenten wächst. Das Magische am Abo-Service GamePass ist doch: Alle Abonnenten haben Zugang zu gleichen Spielen. Es wird zu einer Gemeinschaft, weil all meine Freunde die gleichen Spiele haben und wir sofort gemeinsam loslegen können. Es gibt weltweit mittlerweile zwei Milliarden Spieler. Es ist wie in anderen Sparten der Unterhaltungsbranche: Es gibt nicht diesen einen Film oder dieses eine Lied, das allen gefällt. Für uns ist es wichtig, möglichst viele Produkte bereitzustellen, die möglichst viele Leute begeistern.

Was ist in Ihren Augen wichtiger: Von den zwei Milliarden Leuten, die bereits Spieler sind, möglichst viele zu Microsoft zu locken - oder von den vier Milliarden Leuten, die derzeit mit dem Internet verbunden sind, möglichst viele zu Spielern zu machen?

Bei der Größe von Microsoft muss ich sagen: beides. Uns ist bewusst, dass die ersten Kunden einer Streamingplattform wohl jene sein werden, die bereits eine Xbox besitzen. Ich war jedoch letzte Woche in Afrika und habe kaum Konsolen gesehen, wohl aber unglaublich viele Leute, die auf dem Handy gespielt haben. Die kennen Fortnite und Minecraft, können jedoch viele Produkte, die auf der Spielemesse E3 vorgestellt werden, nicht spielen, einfach weil ihnen die Geräte dazu fehlen. Lassen Sie es mich so sagen: Auf diesem Planeten leben sieben Milliarden Menschen - und ich finde, dass alle Computerspiele zocken sollten.

Haben Sie Angst vor Google und deren Cloud-Gaming-Projekt?

Ich habe vor nichts wirklich Angst, das ist vielleicht meine große Schwäche. Es ist eine überaus spannende Zeit für diese Branche: Google hat sein Projekt vorgestellt, Amazon ist auf der E3 mit dem Streamingportal Twitch anwesend, Netflix ist da. Ich bin lange genug dabei, um mich an die alten Zeiten zu erinnern, als nur ein paar Unternehmen auf dieser Messe waren und wir als die frechen Jungen mit der Xbox galten. Jetzt sind einige der wertvollsten Konzerne der Welt da, das ist wunderbar. Ich glaube, dass wir bei Microsoft aufgrund unserer Erfahrung, unserer Infrastruktur - die nur bei Amazon vergleichbar gut ist - und unserer Investitionen gut aufgestellt sind. Ich habe deshalb keine Angst, sondern eher Spaß.

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Quelle:
SZ vom 11.06.2019
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