Süddeutsche Zeitung

Merkel gegen Kompromisse:Deutschland warnt vor "Brüsseler Tricksereien"

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Unruhe in Berlin: Vor dem Gipfel wächst bei der Bundesregierung die Sorge, dass es sich die EU-Partner bei der Lösung der Euro-Krise zu leicht machen könnten. Einzelne Akteure hätten "den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen". Euro-Gruppenchef Juncker plädiert in der SZ dafür, den Rettungsfonds als Bank zu organisieren.

Deutschland lehnt im Kampf gegen die Staatsverschuldung in Europa Zugeständnisse an die EU-Partner ab. Es dürfe beim anstehenden Gipfeltreffen weder faule Kompromisse noch die "typischen Brüsseler Tricksereien" geben, sagte ein hoher Regierungsbeamter in Berlin. Die Schuldenkrise sei mit Scheinlösungen wie dem Dauerzugriff der Staaten auf Notenbankgeld nicht zu bewältigen. Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker plädierte dagegen im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung just für diese Idee.

Die EU-Staats- und Regierungschefs kommen am Donnerstagabend in Brüssel zusammen, um über ein Gesamtpaket zur Stärkung der Währungsunion zu beraten. Deutschland und Frankreich dringen darauf, die EU-Verträge zu verschärfen und Defizitsünder künftig automatisch zu bestrafen. In einem gemeinsamen Brief an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy schrieben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, Europa müsse "unverzüglich handeln", damit die neuen vertraglichen Bestimmungen im März 2012 vorlägen. Einige Partner wollen hingegen statt Vertragsänderungen nur eine Korrektur einzelner Verordnungen, die sich später leichter wieder rückgängig machen ließe.

Wir haben den Eindruck, dass einzelne Akteure den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden haben", sagte der deutsche Spitzenbeamte. Die Bürger und die Märkte erwarteten keine kosmetischen Korrekturen, sondern eine grundlegende Neuordnung der Währungsunion. Es sei daher auch falsch, aus Furcht vor Volksabstimmungen in einzelnen Ländern zu tricksen. Überlegungen, dem provisorischen Rettungsfonds EFSF praktisch uneingeschränkten Zugriff auf Mittel der Europäischen Zentralbank (EZB) zu verschaffen, lehnte der Regierungsvertreter ebenso kategorisch ab wie die Idee, den EFSF und den für 2012 geplanten dauerhaften Rettungsschirm ESM nebeneinander bestehen zu lassen und die Hilfsmittel so zu verdoppeln. "Viele tun sich leicht damit, immer neue Geldquellen zu erschließen", sagte er. "Sie tun sich aber schwer damit, die Konstruktionsmängel der Währungsunion zu beseitigen."

Die Bundesregierung wies Kritik zurück, sie gefährde mit ihrer rigiden Haltung in der Schuldenfrage das globale Wirtschaftswachstum. "Wir müssen uns vom Gedanken lösen, dass sich Wachstum mit Hilfe überhöhter Staatsausgaben generieren lässt", hieß es. Solide Staatsfinanzen seien kein "deutsches Steckenpferd", sondern Voraussetzung dafür, dass die Euro-Zone ihr Glaubwürdigkeitsproblem überwinde.

Dagegen stellte sich Juncker hinter die Idee von Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel Barroso, den ESM als Bank zu organisieren, die sich Geld bei der EZB leihen kann. "Wir stehen ihr positiv gegenüber, aber wir wissen, dass der Bundestag da ein Fragezeichen hat", sagte er der SZ. Die Entscheidung, ob der ESM wie eine Bank Geld leihen und verleihen darf, müsse beim Gipfel fallen, sagte der Premier. "Ich halte es für falsch, sich hier apodiktisch einzumauern."

Zusätzlich erschwerte sich die Lage am Mittwochabend, als die Ratingagentur Standard & Poor's mehrere europäische Großbanken unter verschärfte Beobachtung stellte. Ihnen droht damit eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit, was wiederum die Refinanzierung erschweren würde. Der Schritt ist die logische Folge aus der Ankündigung von Standard & Poor's vom Montag, die Ratingeinstufung von 15 Euroländern zu überprüfen.

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Quelle:
SZ vom 08.12.2011
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