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Matthias Wissmann:Der Mann, der zwischen Politik und Autoindustrie wankt

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Matthias Wissmann wollte es allen recht machen und scheiterte. Jetzt ringt der oberste Autolobbyist des Landes um Vertrauen. Er braucht es mehr denn je.

Von Roman Deininger und Max Hägler

Matthias Wissmann betritt die Bühne der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA). Drei Jahrzehnte lang saß er im Bundestag, war Verkehrsminister und Forschungsminister im Kabinett Helmut Kohls. Er hat schon viele Reden gehalten, aber diese hier ist vielleicht seine wichtigste. Es geht um die Zukunft der vom Dieselskandal erschütterten deutschen Autoindustrie. Und es geht um seinen Job.

Wissmann, 68, ist Präsident des VDA, des Verbands der Automobilindustrie, und somit der Gastgeber der IAA. Sein Verband vertritt 600 Unternehmen mit 870 000 Beschäftigten, die Zahlen sind Macht. Präsident Wissmann hat diese Macht in seinen Händen. Aber so manch einer in der Messehalle fragt sich still: Wie lange noch?

Plötzlich stand in der WAZ, die Industrie wolle Wissmann loswerden

Aus Sicht der Autokonzerne ist es die Aufgabe ihres Chef-Lobbyisten, Kritik am deutschen Auto zurückzuweisen und über Probleme zu schweigen. Als Ende Juli die Kartellvorwürfe gegen die Industrie bekannt wurden, machte Wissmann sich die Kritik jedoch zu eigen und benannte die Probleme. "Inakzeptabel" seien illegale Absprachen, sagte er, genauso wie das "Surfen in rechtlichen Grauzonen". Ganz neue Töne vom VDA-Chef, freuten sich ein paar Grüne. Ganz neue Töne vom VDA-Chef, empörten sich die Manager.

"Ich war überrascht über diese Stellungnahme", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Auch Volkswagen ließ durchsickern, dass man gar nicht glücklich sei über Wissmanns Äußerungen. Für die Autokonzerne ist der VDA und das beträchtliche Gehalt seines Präsidenten eine Investition. Zetsche und Kollegen sahen ihr Geld plötzlich nicht mehr gut angelegt.

Irgendjemand, man weiß nicht wer, hat dann sofort das Messer gewetzt. Die Industrie wolle Wissmann loswerden, stand plötzlich in der WAZ. Headhunter würden bereits seinen Nachfolger suchen. Einen, der noch inbrünstiger das Lied des deutschen Autos singt.

Doch zunächst ist nach wie vor Vertrauen die wichtigste Währung in Wissmanns Geschäft. Er ist der Mann in der Mitte. Er braucht das Vertrauen der Industrie, und er braucht das Vertrauen der Politik. Er muss die Balance halten, das ist auch die große Herausforderung bei seiner Frankfurter Rede. In seiner Rede wendet er sich an die Kanzlerin und ein bisschen auch ans ganze Land: "Ich will es ganz offen sagen: Wir haben es Ihnen in den vergangenen Wochen und Monaten nicht leicht gemacht." Exakt zwei Jahre ist es nun her, dass der Dieselskandal losbrach. Und Wissmann weiß: Wegducken ist nicht mehr.

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