Süddeutsche Zeitung

Steuerpolitik:Schöner abschreiben

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Finanzminister Lindner testet seine Koalitionspartner: Mit dem neuen Corona-Steuerhilfegesetz will er freihändig die günstigen Abschreibungsregeln für Unternehmen verlängern.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Schon die fortlaufende Nummerierung zeigt eine gewisse Routine im Umgang mit Corona-Hilfen: Es ist schon das "Vierte Corona-Steuerhilfegesetz", das an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden könnte. Noch aber gibt es Unstimmigkeiten, denn in dem 23 Seiten langen Entwurf von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) steckt vor allem ein Posten, bei dem Lindners Koalitionspartner Diskussionsbedarf angemeldet haben: die Verlängerung der erleichterten Abschreibungsregeln für Unternehmen.

Im Großen und Ganzen arbeitet Lindner mit seinem Entwurf unstrittige Maßnahmen ab. Etwa, dass Corona-Bonuszahlungen von bis zu 3000 Euro für das medizinische und pflegerische Personal steuerfrei gestellt werden. Oder die Verlängerung der Home-Office-Pauschale, die Steuerzahler unter gewissen Bedingungen auch in diesem Steuerjahr beim Finanzamt geltend machen können. Konsens besteht auch im Fall der steuerfreien Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld; die Regelung wird bis Ende März verlängert. Und die Möglichkeit, frühere Gewinne noch bis Ende 2023 großzügig mit aktuellen Verlusten verrechnen zu können, ist ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag.

Die "degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter" dagegen - so der Fachbegriff für die erleichterten Abschreibungsregeln - hat Lindner ziemlich freihändig in den Katalog hineingemogelt. Er will die Regelung, die aus dem "Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz" vom Sommer 2020 stammt, um ein Jahr verlängern.

Die Grünen sehen Gesprächsbedarf

Bei den Grünen stößt das auf wenig Begeisterung. "Wir haben uns mit der Superabschreibung auf ein kluges Instrument für die Entlastung von Unternehmen geeinigt", sagt Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die "Superabschreibung", auf die Beck anspielt, ist eine Erfindung Lindners. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: "Wir wollen eine Investitionsprämie für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter schaffen." Konkret sollen Unternehmen 2022 und 2023 einen Teil ihrer Kosten für Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung von ihrem steuerlichen Gewinn abziehen können.

Nun aber findet sich ausgerechnet dieses Instrument nicht in Lindners Steuerhilfegesetz. Stattdessen steht die degressive Abschreibung (kurz Afa, "Absetzung für Abnutzungen") drin. Beck lehnt das ab: "Auch die degressive Afa fortzuführen, wie nun vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen, würde den Haushalt mit knapp zehn Milliarden Euro über die nächsten vier Jahre zusätzlich belasten", sagt sie. "Es besteht auf jeden Fall noch Gesprächsbedarf, ob das in der Prioritätenabwägung wirklich der richtige Schritt ist."

"Verständnisfragen" und "Abstimmungsbedarf" sieht auch Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Unklar sei etwa, ob die "Superabschreibungen" dann zusätzlich kommen sollten. Schrodi verweist auch auf die höhere Belastung für den Bund, aber auch für die Haushalte von Ländern und Kommunen durch die degressive Abschreibung. Grundsätzlich aber wollten alle Koalitionspartner, dass "Investitionen angereizt werden".

In Lindners FDP-Fraktion gibt naturgemäß weniger Zweifel. In dem Gesetz würden wirtschaftliche und soziale Maßnahmen gebündelt, "die schnell greifen und auch schnell helfen sollen", sagt Fraktionsvize Christoph Meyer der SZ. "Für mich zählt die Verlängerung der degressiven Abschreibung hier dazu." Er sehe die Regelung als konjunkturstützende Maßnahme, die privatwirtschaftliche Investitionsanreize setze und die Pandemie-Folgen bekämpfe. "Und genau das ist unser Ziel."

Weniger Steuereinnahmen

Laut Gesetzentwurf produziert Lindners Afa-Offensive bei Bund, Ländern und Kommunen bis einschließlich 2025 Steuermindereinnahmen: dieses Jahr 235 Millionen Euro, nächstes Jahr knapp 2,7 Milliarden, 2024 dann gut 4,3 Milliarden und 2025 noch einmal knapp 2,6 Milliarden. Danach dreht sich dann der Wind, denn degressive Abschreibungsregeln führen letztlich nur dazu, dass die Steuerlast in die Zukunft verlagert wird: In den ersten Jahren nach einer Investition ist das Abschreibungsvolumen höher als bei einer linearen Abschreibung - was den Gewinn der Unternehmen und damit auch ihre Steuerschuld stärker drückt. Dafür aber ist die steuersenkende Wirkung in den Folgejahren dann geringer. Über den gesamten Abschreibungszeitrum nimmt der Staat gleich viele Steuern ein.

Nur: Der Ampel, die ja große Investitionspläne hegt, nutzt das nichts, denn die Legislaturperiode geht nur bis Herbst 2025. Und mit gut 9,8 Milliarden Euro bis Ende 2025 ist die degressive Afa tatsächlich ein dicker Brocken in dem insgesamt knapp 11,2 Milliarden Euro schweren Paket.

Was also bringt Lindners Vorstoß? Für den Staat habe das Ganze letztlich nur einen Zinseffekt, erklärt Andreas Peichl, Ökonom am Münchner Ifo Institut. Für das einzelne Unternehmen aber ergebe sich ein Liquiditätseffekt. Dadurch könnten degressive Abschreibungsregeln neue Investitionsanreize setzen und eine konjunkturbelebende Wirkung entfalten. "Insofern ist das eigentlich eine gute Idee und führt im Idealfall sogar zu mehr Steueraufkommen in der Zukunft", so Peichl. Besonders kleineren Firmen könne das helfen.

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