Süddeutsche Zeitung

Kritik an BMW:Streit um die Leiharbeit

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Die IG Metall will die Leiharbeit eindämmen - besonders bei BMW. Denn der Münchner Autohersteller gilt aus Gewerkschaftssicht als Unternehmen, bei dem die Leiharbeit überhandnimmt.

Sibylle Haas

Beim Autokonzern Daimler in Stuttgart gibt es viele Vereinbarungen zwischen Management und Betriebsrat. Eine davon betrifft die Leiharbeit. Darin steht, dass an jedem deutschen Standort nicht mehr als acht Prozent der Beschäftigten Zeitarbeitnehmer sein dürfen. Momentan sind das 5100 bei insgesamt 167.700 fest angestellten Mitarbeitern in Deutschland. Die Zahlen hat ein Firmensprecher flugs parat. Die Quote von etwa drei Prozent ist nach Ansicht von Gewerkschaftern in Ordnung.

Horst Lischka ist gerade auf dem Weg zu BMW. "Dort gibt es immer etwas zu tun", sagt er. Der 48-Jährige ist IG-Metall-Funktionär in München und sitzt außerdem im Aufsichtsrat von BMW. Lischka kämpft gegen die ausufernde Leiharbeit beim Münchner Autokonzern. Dort seien, so Lischka, mindestens 11.000 Zeitarbeitnehmer beschäftigt, bei 70.000 Festangestellten. Das ist eine Quote von etwa 15 Prozent und die sei, so Lischka, eindeutig zu hoch.

BMW kann - anders als sein Konkurrent aus Stuttgart - die Zahl der Leiharbeiter selbst nicht nennen. Es sei schwierig, sie zu ermitteln, sagt ein Sprecher. Die Zahl der Gewerkschaft dementiert er aber auch nicht.

BMW gilt auch bei der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt als ein Unternehmen, bei dem die Leiharbeit überhand nimmt. "Wir sind nicht gegen Leiharbeit per se", sagt eine Sprecherin dort. Doch Leiharbeit dürfe nicht in der Personalpolitik missbraucht werden.

Der BMW-Sprecher verteidigt die Zeitarbeit. Sie sei wichtiges "Flexibilisierungsmittel", sagt er. Das habe sich besonders in der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 gezeigt. Da hätten die Zeitarbeitskräfte die Firma verlassen müssen. Deshalb habe man Kurzarbeit für die Stammbelegschaft in Grenzen gehalten.

Gewerkschaft fordert "Branchenzuschlag"

Immerhin bekommen die Leiharbeiter bei BMW von Anfang an das gleiche Grundgehalt wie ihre fest angestellten Kollegen. Das hat der Betriebsrat mit dem Management verhandelt. Auch bei anderen Firmen ist das inzwischen so. Der Münchner IG-Metall-Funktionär Lischka will aber, dass die Leiharbeiter bei BMW eine Leistungszulage für gute Arbeit bekommen. Die steht den Festangestellten nämlich zu. Und er setzt sich für eine betriebliche Vereinbarung über Art und Umfang der Leiharbeit ein.

Ein Leiharbeiter in einer Metall- oder Elektrofirma verdiene durchschnittlich 40 Prozent weniger als sein fest angestellter Kollege, teilt die IG Metall mit. Das seien brutto 1146 Euro weniger. Am Mittwoch treffen sich Gewerkschafter und Verbandsvertreter der Verleihbranche zu ersten Verhandlungen in Düsseldorf. Die Gewerkschaft fordert von den Verleihfirmen, dass sie Leiharbeitnehmern in Metallunternehmen einen "Branchenzuschlag" zahlen.

Leipziger Betriebsrat will in die zweite Instanz gehen

Auch in der anstehenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie spielt die Zeitarbeit eine wichtige Rolle. Die IG Metall will erreichen, dass die Betriebsräte beim Einsatz von Zeitarbeitnehmern stärker mitbestimmen können als bisher. Sie sollen mitentscheiden, wo, wie lange und in welchem Umfang Leiharbeiter eingesetzt werden.

Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, fordert vom Gesetzgeber "konkrete Vorgaben, wie beispielsweise die zeitliche und sachliche Befristung für den Einsatz von Leiharbeitern". Da der Gesetzgeber den Begriff "vorübergehend" bei der Leiharbeit nicht definiert habe, seien Konflikte wie bei BMW in Leipzig programmiert.

Dem Betriebsrat des dortigen BMW-Werks ist jüngst der Kragen geplatzt. In Leipzig sind 2800 Menschen fest angestellt. 1100 sind Leiharbeiter. Als sein Arbeitgeber wieder einmal Leiharbeitsverträge verlängern wollte, weigerte sich der Betriebsrat, das abzunicken. Das Arbeitsgericht Leipzig gab in erster Instanz seinem Arbeitgeber recht. Doch der Betriebsrat lässt nicht locker. Er will gegen die überbordende Leiharbeit vorgehen und zieht nun in die zweite Instanz.

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SZ vom 21.02.2012
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