Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Der Taxi-Markt braucht mehr Wettbewerb

Lesezeit: 3 min

Strenge Regeln und starre Preise führen dazu, dass Grau- und sogar Schwarzmärkte entstehen. Das ist für niemanden gut.

Kommentar von Jan Willmroth

Es war zuletzt recht still geworden in der Debatte über die Zukunft des Taxiverkehrs. Begegnet man heute Travis Kalanick, dem Chef des amerikanischen Fahrtvermittlers Uber, und spricht ihn auf Deutschland an, wirkt er frustriert. Mit den Ambitionen, die Uber hierzulande Anfang 2014 noch hegte, nämlich den Taximarkt aufzumischen, ist das Unternehmen vorerst krachend gescheitert. Inzwischen lassen sich nur noch lizenzierte Mietwagen mit Fahrer über die Uber-App buchen, eine etablierte, etwas günstigere Alternative zu Funktaxis. Nur in München funktioniert das. In Deutschland ist Uber derzeit nur noch eine regional aktive Mietwagenzentrale. Vom "Taxi-Schreck" ist nicht mehr viel übrig.

Jetzt aber kommt die Diskussion verzögert im politischen Berlin an. Die digitalpolitische Vereinigung der CDU Cnetz hat Vorschläge gemacht, wie die 1964 in Kraft getretenen Taxiparagrafen reformiert werden können. Das ist überfällig, und der Ton, in dem Cnetz es formuliert, ist angemessen. Man wolle zunächst einen Diskussionsbeitrag unterbreiten, schreibt der CDU-Verein. Darum muss es gehen: endlich eine öffentliche Debatte darüber zu führen, wie die Personenbeförderung so reguliert werden kann, dass sie den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Bevölkerung von heute besser gerecht wird.

Der Markt sollte entscheiden, wie viele Wagen gebraucht werden, nicht die Behörde

Das Taxigewerbe gehört zu den letzten verbliebenen Dienstleistungsmärkten, in denen eine strenge Regulierung freien Wettbewerb verhindert. Der Zutritt zum Taximarkt ist in den meisten der mehr als 800 Tarifgebiete durch die Zahl der Konzessionen beschränkt. Wer eine haben möchte, muss im Zweifel auf die Warteliste. Statt individueller Preise gibt es starre Tarife; die Behörden bestimmen, wie viel Taxifahren kostet. Fahrer brauchen eine Zulassung, bei den Autos ist bis ins kleinste Detail geregelt, wie sie aussehen müssen. Letztere sind im Sinne der Kunden sinnvolle Qualitätskriterien. Wer am Bahnhof in ein Taxi steigt, darf keine Überraschungen erleben. Fahrgäste müssen stets davon ausgehen können, dass vertrauenswürdige Menschen sie sicher, komfortabel und auf möglichst kurzem Weg zum Ziel bringen. Das ist die Basis für jedes Mehr an Wettbewerb.

Starre Preise und Konzessionsbeschränkungen aber verhindern Wettbewerb, mit der Folge, dass Zweit-, Grau- und Schwarzmärkte entstehen. Anteile an Funkzentralen und Taxigenossenschaften werden im Verborgenen zu horrenden Preisen verschachert. Trotz der Tarifpflicht ist Schwarzarbeit weit verbreitet. Konzessionen dürfen in Deutschland zwar nicht gehandelt werden, doch das Verbot wird regelmäßig mit dem Verkauf ganzer Taxibetriebe umgangen. Ein Limit für Konzessionen stellt einen gravierenden Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Feste Tarife setzen den Preiswettbewerb völlig außer Kraft. Beides wäre ökonomisch nur zu rechtfertigen, wenn sonst der Markt versagte: Wenn die Rolle der Taxis als Teil des öffentlichen Nahverkehrs nicht mehr gewährleistet wäre.

Davon kann keine Rede mehr sein. Unbegrenzte Zulassungen führten zu ruinösem Wettbewerb, lautet ein Argument für die Konzessionsbeschränkungen. Das ist unwahrscheinlich: Die tatsächliche Kundennachfrage ist der beste Indikator dafür, wie viele Taxis es braucht. Am Ende verbleiben die besseren Anbieter im Markt, diejenigen mit den besseren Apps, den besten Bewertungen und nicht zuletzt diejenigen, die besser wirtschaften. Die Beispiele Hamburg und Berlin zeigen, dass gerade in Ballungsräumen Taximärkte ohne festgelegte Anzahl an Taxenfunktionieren können.

Keine Lex Uber

Schwieriger ist die Frage nach dem Preiswettbewerb. Die Tarifpflicht schützt Kunden davor, dass sie bei Schnee und Regen plötzlich das Doppelte zahlen müssen. Sie verhindert, dass sich während Volksfesten nur noch Gutverdiener ein Taxi leisten können. Ohne feste Tarife wären Fahrgäste in ländlichen Gebieten mit nur wenigen Taxifirmen deren Willkür ausgeliefert. Der Übergang hin zu freien - und damit für Fahrer wie Kunden faireren - Preisen ist dennoch möglich, wenn er schrittweise erfolgt. Auch die Telekommunikations- und Energiemärkte wurden nicht über Nacht dereguliert. Eine Übergangslösung könnten Höchstpreise sein, die weniger in die freie Preisgestaltung der Unternehmer eingreifen, aber die Fahrgäste vor Wucher schützen.

Von neuen Regeln, die in die Zeit passen, hätten alle etwas: Kunden, Taxifahrer und neue Anbieter. Eine Reform darf aber nicht zur Lex Uber geraten, die der Firma ihr uramerikanisches Geschäftsmodell erlaubt. Jede Neuregelung muss den Anspruch wahren, dass in einem alten, verkrusteten Markt faire Wettbewerbsbedingungen entstehen. Für alle.

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SZ vom 22.04.2016
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