Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Das deutsche Valley:Auf die Steuer kommt es an

Lesezeit: 2 min

Die Hoffnung, dass die Digitalisierung es den Frauen erleichtert, im Arbeitsleben besser Fuß zu fassen, hat sich bisher nicht erfüllt. Am Ende entscheidet doch ein alter Bekannter das Spiel.

Von Marc Beise

Wie man sich manchmal danach sehnt, dieser schrecklichen Corona-Zeit auch etwas Positives abzugewinnen! Wie wäre es damit? So schlimm das alles ist, könnte das Virus doch wenigstens der vergleichsweise zögerlichen Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft einen Schub geben. So würde sich namentlich das Arbeitsleben verändern, wovon dann wiederum vor allem Frauen profitieren könnten, heißt es manchmal. Denn je mehr die Arbeit sich flexibilisiert, je weniger die alten Nine-to-five-Office-Regeln noch gelten, desto leichter lassen sich auch Beruf und Familie verbinden. Und desto leichter wird es Frauen, vor allem Müttern, in der Erwerbswelt gemacht, bis hin zu - hier klafft ja immer noch eine massive Lücke - gleichen Karrierechancen wie bei Männern.

Leider ist davon bisher wenig zu erkennen, im Gegenteil. Im ersten Halbjahr 2021 haben 24 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen überwiegend oder vollständig im Home-Office gearbeitet, berichtet Oliver Falck vom Ifo-Institut München. Das ist nicht viel anders als vor der Pandemie. Da wurde das Home-Office-Potenzial für Frauen und insbesondere Mütter aufgrund ihrer Tätigkeitsprofile nur geringfügig höher bewertet als für Männer/Väter: 64 Prozent zu 61 Prozent.

Die Frage war ja: Werden Frauen/Mütter ihr Home-Office-Potenzial nach der Pandemie durch die Flexibilisierung stärker ausnutzen, und wird das den Eintritt ins Erwerbsleben beziehungsweise die Arbeitszeiterhöhung erleichtern? So wird es vielfach erwartet, aber Falck ist skeptisch. Immerhin trügen Frauen und insbesondere Mütter die hauptsächliche "Familienlast". Belastbare Hinweise, dass Väter die neuen Flexibilisierungsmöglichkeiten nutzen und sich die Geschlechter damit die Familienlast verstärkt teilen, gibt es bisher nicht.

Ohnehin gibt die Struktur weiblicher Erwerbsbiografien wenig Hoffnung auf Besserung. In Deutschland arbeitet einer neuen Untersuchung des Ifo-Instituts zufolge fast jede zweite Frau in Teilzeit und mit deutlich weniger Stunden als etwa in Schweden oder Frankreich. Und es ist eben der Übergang zur Elternschaft, der hier die entscheidende Rolle spielt: In Deutschland schränken Frauen ihren Erwerbsarbeitsumfang nach der Geburt eines Kindes überproportional stark ein.

Falcks Ifo-Kollegen Helmut Rainer und Andreas Peichl machen dafür maßgeblich die Kinderbetreuung verantwortlich, die trotz aller Verbesserungen in den vergangenen Jahren hinsichtlich Quantität und Qualität weiterhin eklatante Schwächen aufweise. So sei der Betreuungsbedarf von Eltern mit Kindern unter drei Jahren vor allem in Westdeutschland noch lange nicht gedeckt: 46,6 Prozent der Eltern hatten sich 2019 einen Betreuungsplatz für ihr Kind gewünscht, die Betreuungsquote lag aber lediglich bei 30,3 Prozent.

Es geht um Gerechtigkeit - und ganz profan übrigens auch ums Geld

Heißt also: Solange die Betreuungsangebote sich nicht räumlich und zeitlich flexibel an den Bedürfnissen von Eltern und ihren Kindern ausrichten, solange es nicht mehr pädagogische Fachkräfte in den Kitas gibt, solange wird sich an der Benachteiligung von Frauen und Müttern auch wenig ändern. Am Ende liegt es an den alten Stellschrauben, und spätestens jetzt muss man das größte Hindernis überhaupt benennen: das Ehegattensplitting, das traditionelle Ehen steuerlich begünstigt, in denen ein Partner erwerbstätig ist, und der andere (der meist eine "die" ist) die häusliche Sorgearbeit übernimmt.

Das Zusammenspiel mit den Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung und zur beitragsfreien Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung verstärke die Auswirkungen des Ehegattensplittings auf die Arbeitsteilung zwischen verheirateten Frauen und Männern, sagen Rainer und Peichl. Entsprechend fordern sie, um negative Erwerbsanreize für verheiratete Zweitverdienerinnen (und Zweitverdiener) zu verringern, ein gedeckeltes Realsplitting statt des Ehegattensplittings. Das liefe auf eine Individualbesteuerung mit Unterhaltsabzug hinaus. Je näher der steuerlich absetzbare Unterhaltsbetrag dem Grundfreibetrag für Erwachsene sei, desto größer sind die Beschäftigungseffekte. Deshalb empfehle sich gleichzeitig ein höherer Grundfreibetrag.

Und es wäre ja so wichtig: Es geht um Gerechtigkeit - und ganz profan übrigens auch ums Geld: Die Erwerbsbeteiligung von Frauen auszuweiten, ist notwendig, auch darauf weisen die Ifo-Forscher hin, um die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren, wenn jetzt die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen.

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