Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Umstrittener Schutz

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Die EU will Importe von Waren verteuern, die unter klimaschädlichen Bedingungen hergestellt wurden. Das Europaparlament unterstützt die Idee, streitet aber über Details.

Von Björn Finke, Brüssel

Der Mechanismus mit dem komplizierten Namen soll das Klima schützen und Europas Industrie gleich dazu. Zudem soll dieses Kohlendioxid-Grenzausgleichssystem der EU dringend benötigte Einnahmen bescheren. Doch diese neue Abgabe ist umstritten, wie sich nun auch im Europaparlament zeigt.

Hintergrund der Initiative sind die ehrgeizigen Klimaziele der EU. Die Staaten sollen bis 2030 ihren Ausstoß an Kohlendioxid und anderen klimaschädlichen Gasen um 55 Prozent senken im Vergleich zu 1990. Im Juni wird die Kommission unter dem Schlagwort "Fit for 55" eine ganze Reihe Gesetzesvorschläge präsentieren, um die Wirtschaft klimafreundlich umzubauen und das Ziel zu erreichen. Strengere und damit teurere Standards bergen aber die Gefahr, dass Produktion einfach aus Europa in Staaten mit laxeren Vorgaben verlagert wird. Die Güter würden dann nicht mehr in der EU gefertigt, sondern importiert. Dem Klima wäre nicht geholfen, und in Europa gingen Jobs verloren.

Hier soll dieses Grenzausgleichssystem ansetzen, dessen Entwurf die Kommission ebenfalls im Juni präsentieren will: Wurden Importe unter klimaschädlicheren Bedingungen hergestellt als in Europa üblich, will die EU die Waren mit dieser Abgabe belasten. Wie genau das System funktionieren soll, ob es mehr einer Steuer oder einem Zoll ähnelt oder der Importeur Verschmutzungsrechte kaufen muss, ist noch unklar. Das Europaparlament debattierte jedoch bereits darüber und stimmte am Mittwoch einem Beschluss zu, der die Einführung bis "spätestens 2023" fordert.

Die Abgabe könnte zwischen fünf und 14 Milliarden Euro jährlich bringen, heißt es in dem Beschluss. Neue Einnahmen kann der EU-Haushalt gut gebrauchen; schließlich muss die Union die Schulden zurückzahlen, die für den Corona-Hilfsfonds aufgenommen werden.

Kritiker befürchten aber, dass so ein Mechanismus den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) widersprechen und einen Handelskrieg auslösen könnte. Die EU-Abgeordneten glauben allerdings, dass ein WTO-konformes Design möglich ist. Eine Voraussetzung dafür sei freilich, Begünstigungen beim Emissionshandelssystem der EU zu streichen, sagt Delara Burkhardt, die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten.

Viele Abgeordnete wollen keine doppelten Geschenke für die Industrie

Das 2005 eingeführte System sieht vor, dass Konzerne CO₂-Zertifikate erwerben müssen, wenn sie Klimagase in die Luft blasen. Vielen Industriebranchen werden aber kostenlose Verschmutzungs-Zertifikate zugeteilt, um im globalen Wettbewerb besser bestehen zu können. Nach Einführung des Grenzausgleichsmechanismus müssten diese Geschenke ein Ende haben, weil die Industrien ansonsten doppelt geschützt würden, sagt die SPD-Politikerin.

Im Entwurf ihres Beschlusses sprachen sich die EU-Abgeordneten für ein "rasches" Ende dieser Hilfen aus. Doch die christdemokratische EVP-Fraktion setzte durch, diese Passage zu streichen. "Unter dem Druck der Industrielobby haben sie diesen Teil der Resolution verwässert", klagt Burkhardt. "Ich bin gespannt, ihre Erklärung zu hören, wie das parallel zum CO₂-Ausgleichsmechanismus vor der WTO Bestand haben kann."

Michael Bloss, der klimapolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, nennt es "unverantwortlich", der Industrie weiter "Freifahrtscheine für die Emissionen zu geben". Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler bezeichnet die Änderung dagegen als "erfreulich" und warnt, der Grenzausgleich sei "kein Allheilmittel".

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