Süddeutsche Zeitung

Kaffee-Dynastien:Leg dich nicht mit Papi an

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Von Angelika Slavik

Die Grenze zwischen Starrsinn und Entschlossenheit ist nicht immer genau auszumachen, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass Albert Darboven ein Mann ist, der sich entschieden hat. Vor langer Zeit. Bloß den Ärger deshalb hat er erst jetzt.

Darboven, 82, führt seit 1960 das Hamburger Kaffeeunternehmen J.J. Darboven: 300 Millionen Euro Umsatz, 900 Mitarbeiter, 152 Jahre stolze hanseatische Kaufmannstradition. Die Geschäfte liefen schon mal besser, Darboven ist die kleinste der großen deutschen Kaffeeröstereien, 2016 erwirtschaftete das Unternehmen Verluste. Aber in der Summe ist da natürlich immer noch all das Prestige, die Verehrung in der Stadt. Die Noblesse. Und klar, das Vermögen. Ein kleiner Helikopter hier, ein bisschen Pferdesport da. Es ist ein Leben, das aus der Ferne richtig gut aussieht.

Aus der Nähe betrachtet ist es komplizierter, das zeigt auch ein Brief, den Darbovens Sohn Arthur E. Darboven, 54, nun veröffentlicht hat - gemeinsam mit zwei Cousins und deren Mutter. "In tiefer Sorge um das Unternehmen", seien sie, ließen die Verfasser wissen. Denn der alte Darboven will seinen einzigen Sohn partout nicht als Nachfolger in der Firma sehen. Weil der Gesellschaftervertrag aber vorsieht, dass nur ein Familienmitglied das Unternehmen leiten darf, bastelt der Patriarch nun an einem Coup: Er legt sich einfach einen anderen Sohn zu. Durch Adoption.

Der Auserwählte ist freilich nicht irgendwer, sondern Andreas Jacobs, 54 Jahre alt und ein Sprössling der gleichnamigen Bremer Kaffeedynastie. Jacobs' Vater allerdings verkaufte das Familienunternehmen schon 1990, es gehört heute zum US-Konzern Mondelēz. Andreas Jacobs ist also ein Kaffee-Erbe ohne Kaffee-Unternehmen. Und Albert Darboven ist ein Patriarch auf der Suche nach einem Zweit-Sohn. Wie könnten diese beiden nicht zusammenfinden?

Tatsächlich kennen sich beide schon länger, Jacobs sitzt im Beirat von Darbovens gemeinnütziger Stiftung. Zudem teilen sie die Begeisterung für Reitsport und Pferdezucht. Von einer "langjährigen tiefen Freundschaft" spricht Darboven und lässt am Montag mitteilen: "Meine Frau und ich wünschen uns, Herrn Dr. Jacobs auch ganz offiziell in unsere Familie aufzunehmen." Der Rest sei Privatsache.

"Ein bisschen verrückt bin ich schon"

Es ist nicht so, dass Darboven diesen Schachzug nicht angekündigt hätte. 2009 zerstritt er sich mit seinem einzigen leiblichen Kind Arthur E. Darboven, eigentlich der designierte Nachfolger. Der Junior verließ das Unternehmen, behielt aber seinen Minderheitsanteil. Hat er auf eine Versöhnung gehofft? Hat er gedacht, der Gesellschaftervertrag werde ihm die Nachfolge schon sichern, irgendwann?

Seither kokettierte der Vater öffentlich damit, seine Anteile einer Stiftung zu überschreiben oder einen geeigneten Kandidaten zu adoptieren. Damals hat er sich entschieden. Gegen den Sohn. Gemessen an dem Entsetzen, das man jetzt aus ihrem Brief lesen kann, muss man annehmen, dass die Familie Darbovens Ankündigungen wohl nicht ernst genommen hat.

"Ein bisschen verrückt bin ich schon", hat Albert Darboven mal am Rande eines Reitturniers gesagt. "Was wäre, wenn ich normal wäre? Das wäre auch nicht richtig." Er bezog sich auf seine Begeisterung für die Pferde, aber vielleicht beschreibt es auch ganz gut seine Begeisterung für den unkonventionellen Weg. Schließlich kennt er den nur zu gut. Denn Darboven gelangte einst selbst durch Adoption an die Spitze des Unternehmens: Geboren als Albert Hopusch aus Darmstadt, nahm ihn nach dem Tod des Vaters seine Tante bei sich auf. Deren Ehemann war ein Darboven - und machte aus Albert seinen Nachfolger. Familientradition ist eben auch eine Definitionsfrage.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2018
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