Süddeutsche Zeitung

Jörg Asmussen:Die SPD könnte ihren Star-Ökonomen verlieren

Lesezeit: 2 min

Von Cerstin Gammelin, Jens Schneider und Meike Schreiber

Die SPD ist dabei, einen Star zu verlieren. Der ehemalige Notenbanker und Strippenzieher Jörg Asmussen erwägt, sich von seiner Partei zu trennen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat er dies innerhalb der SPD angekündigt. Letzter Auslöser soll gewesen sein, dass die SPD auf ihn bei der Besetzung von Spitzenjobs in der neuen Regierungsmannschaft verzichtet hat. Die Parteispitze versucht, ihn noch von seinem Vorhaben abzubringen. SPD-Parteichefin Andrea Nahles will sich dem Vernehmen nach mit Asmussen treffen, ein Termin stehe fest. Asmussen wollte sich am Freitag nicht dazu äußern.

Der 51 Jahre alte Ökonom galt in der SPD, aber auch in der Union, lange als Ausnahmetalent. Getragen von Förderern wie Sigmar Gabriel, Wolfgang Schäuble und Angela Merkel legte er eine Blitzkarriere hin. Er stieg im Bundesfinanzministerium zum Staatssekretär auf, schrieb die Gesetze zur Finanzmarktregulierung maßgeblich mit; er vertrat Bundesfinanzminister Schäuble während der Griechenland-Krise, beriet Kanzlerin Merkel zur Euro-Rettung. Im Jahr 2012 wurde er ins Direktorium der Europäischen Zentralbank berufen. Nach knapp zwei Jahren verließ er überraschend den prestigeträchtigen Posten bei der EZB, um als Staatssekretär der damaligen Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles in Berlin anzuheuern. Mit jedem Wechsel wuchs die Zahl seiner Gegner. Zu glatt, zu unverbindlich und auch zu selbstbewusst hatten ihn viele erlebt. Schäuble wandte sich ab, als er die EZB zu schnell verließ und sich später mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis traf, den Schäuble verachtete.

Nach dem Aus bei der KfW wollte ihn niemand mehr

Bei Nahles blieb Asmussen ebenfalls nicht lange. Angeregt und unterstützt vom damaligen SPD-Parteichef Gabriel, leitete Asmussen seinen nächsten Wechsel ein - zur staatlichen KfW-Förderbank. Dabei jedoch pokerte er nach Ansicht von Beobachtern deutlich zu hoch - und verlor. Er bekam den Posten nicht, wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, mithin arbeitslos. Der Karrierebruch war umso schlimmer, als es zuvor in seinem Leben beruflich stets aufwärts gegangen war.

Nach dem Aus bei der KfW wollte ihn niemand mehr. Asmussen entschied sich für Übergangsjobs. Er beriet die irakische Regierung bei Reformen, arbeitete in einer Denkfabrik an deutsch-französischen Ideen zur Reform der Eurozone mit. Er heuerte bei einem Finanz-Start-up als Aufsichtsrat an. Zudem fing er als Berater bei der amerikanischen Investmentbank Lazard in Frankfurt an. Als die SPD sich Anfang des Jahres erneut zur großen Koalition entschloss und sich das Bundesfinanzministerium sicherte, soll Asmussen mit einem Spitzenjob geliebäugelt haben. Tatsächlich wurde sein Name genannt, als es darum ging, die wichtigsten Posten unter dem designierten Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu besetzen. Schnell aber war klar, dass Asmussen seinen alten Job nicht zurückbekommen würde. Scholz entschied sich dafür, andere Staatssekretäre auszusuchen. Nach Informationen der SZ verzichtete Scholz darauf, überhaupt mit Asmussen zu sprechen.

Aus dem Umfeld des früheren Notenbankers verlautete, eine Rückkehr nach Berlin sei ohnehin wenig wahrscheinlich gewesen, schließlich sei sein Ruf dort ja kaputt, vor allem wegen der Querelen bei der EZB oder mit der KfW. Worauf Asmussen tatsächlich sehr gehofft habe, seien Chefposten bei der Bundesbank oder der Europäischen Zentralbank gewesen. Er habe sich der Bundesregierung als Nachfolger für Bundesbank-Präsident Jens Weidmann oder EZB-Präsident Mario Draghi empfehlen wollen, allerdings keine wohlwollenden Signale dazu bekommen. Zugleich habe er gemerkt, dass er keinen Rückhalt mehr in der SPD habe. Außer vielleicht bei der neuen Parteichefin Nahles, die er allerdings damals als Staatssekretär ebenfalls vorzeitig verlassen hatte.

Der SPD-Spitze ist die Sache mit dem angekündigten Austritt offensichtlich unangenehm. Man werde versuchen, Asmussen zu halten, heißt es. Ob das gelingt, darauf will sich niemand festlegen.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2018
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