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Infineon: Eklat um Chefkontrolleur:Neuanfang - jetzt!

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Intrigen und Vorteilsnahmen begleiten Infineon seit der Gründung. Die Siemens-Seilschaften sollten daher nicht das Sagen im Aufsichtsrat haben - frischer Wind von außen muss her.

Thorsten Riedl

Ausgerechnet Infineon. Der Konzern mit Sitz in der Nähe von München stellt Halbleiter her, als eines der letzten Unternehmen von Weltrang in diesem Bereich aus Deutschland. Doch davon spricht kaum einer. Nicht erst in jüngster Zeit produziert Infineon vor allem Schlagzeilen. Topmanager, die Schmiergeld kassieren, Kaviar für Tausende Euro speisen - auf Firmenkosten, versteht sich. Ein Chefkontrolleur, der teils mehr in das operative Geschäft eingegriffen haben soll als mancherorts der Firmenboss. Eine Siemens-Vergangenheit, die Seilschaften hervorbringt, in die keiner einzudringen vermag. Die Liste ist lang - und nun kommt es zu Kampfabstimmung auf der Hauptversammlung an diesem Donnerstag um den Vorsitz im Aufsichtsrat.

Über all die Intrigen, Vorteils- und Einflussnahmen scheint das wichtigste Ziel des elf Jahre alten Unternehmens vergessen gegangen zu sein: Gewinn zu erwirtschaften. Erst in zwei Jahren seiner Firmengeschichte ist dies Infineon gelungen. Seit dem Börsengang fielen Verluste von mehr als fünf Milliarden Euro an. Die Aktie spiegelt das wider: Das Papier hat seit dem Höchststand 95 Prozent an Wert verloren. Ist es angesichts dieser Entwicklungen ein Wunder, dass sich die Aktionäre einen Kurswechsel wünschen? Einen Neuanfang, der Bestand hat?

Klaus Wucherer, Ex-Siemens-Vorstand, dazu langjähriger Infineon-Kontrolleur, und Willi Berchtold, Manager bei ZF Friedrichshafen, einer von außen, treten an. Kein Kandidat kann vollends überzeugen, bei beiden gibt es offene Fragen: So spricht für Wucherer, dass er den Konzern in- und auswendig kennt - aber wieso will er bei seiner Wahl nach einem Jahr wieder abdanken? Berchtold ist in der Branche gut verdrahtet - doch wie sehen die Ziele der Investoren aus, die hinter ihm stehen? Wer allerdings möchte, dass Infineon in ruhiges Fahrwasser kommt, hat nur diese Wahl: Berchtold.

Wie ein starker Aufsichtsrat zu handeln hat, das ist gerade bei einem anderen Unternehmen aus der IT-Branche zu beobachten gewesen: Hasso Plattner, Mitgründer, Großaktionär und Aufsichtsratschef des Softwarehauses SAP, hat den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden Léo Apotheker nicht verlängert. Plattner hat mit Kunden geredet, sich bei den Mitarbeitern des Unternehmens umgehört und dann gesagt: So geht es nicht weiter. In aller Stille hat er den Vorstandswechsel bei SAP eingeläutet, dann zwar zu Beginn der Woche für einen Paukenschlag gesorgt, nun aber das Unternehmen bereits in neue Bahnen geleitet.

Bei Infineon läuft so etwas anders ab: Gegen Ex-Chef Ulrich Schumacher etwa haben Vorstandskollegen gemeutert, anschließend gab es eine öffentlich ausgetragene Schlammschlacht zwischen Schumacher und dem Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley. Bei Wolfgang Ziebart lief es nicht weniger medienwirksam: Kley kanzelte den Vorstandschef auf der Hauptversammlung 2008 ab - und suchte dann einen Nachfolger.

Wucherer gilt als Mann Kleys. Seit 1999 sitzt er im Aufsichtsrat von Infineon, hat also auch Fehler der Vergangenheit zu verantworten. Er steht für das "alte System" und ist von der Verwaltung für den Aufsichtsratsvorsitz nominiert. Der Gegenwind von Seiten aufständischer Aktionäre hat ihn schon einknicken lassen: Im Falle seiner Wahl will er auf dem Aktionärstreffen 2011 einen "profilierten Nachfolger" vorweisen, er selbst verlässt das Kontrollgremium dann. Was für ein Vorschlag: Wucherer hat sich so nur geschwächt. Wer sollte ihn nun im Aufsichtsrat und im Vorstand noch ernst nehmen? Nach einem Jahr wäre er ohnehin verschwunden.

Dann lieber den klaren Schnitt. Berchtold ist in der Branche bekannt, versteht als Finanzchef von ZF Friedrichshafen das Zahlenwerk, und fühlt sich von langfristigen Investoren unterstützt. Er bezieht Infineon in das große Bild ein: als wichtigen Chipfabrikanten vor Ort, als Beleg für den IT-Standort Deutschland. Infineon dauerhaft auf die richtige Spur zu bringen, Seilschaften aufzulösen, das Management zu internationalisieren - dafür scheint er der Geeignetere.

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Quelle:
SZ vom 11.02.2010
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