Süddeutsche Zeitung

Huawei:Wenn das System fehlt

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Huaweis neues Spitzen-Smartphone hat ein großes Problem: Es muss ohne Android auskommen, Schuld ist der Handelskonflikt. Das ist schädlich fürs Geschäft.

Von Simon Hurtz, Berlin

Der 18. September sollte ein großer Tag für Huawei werden. In drei Wochen will das chinesische Unternehmen sein neues Spitzen-Smartphone Mate 30 in München vorstellen. Doch die Präsentation könnte zum Trauerspiel werden: Huaweis Flaggschiff muss wohl ohne Dienste von Google auskommen und auf grundlegende Bestandteile des Android-Betriebssystems verzichten.

Google wird seine Software nicht für das Mate 30 freigeben. Das betrifft Google-Apps wie Gmail, Youtube, Chrome und Googles Kartendienst Maps sowie den Play Store. Diese Dienste sind sonst auf Android-Smartphones vorinstalliert. Das Embargo der US-Regierung gegen Huawei zwinge Google, dem chinesischen Hersteller die Unterstützung zu entziehen, bestätigte ein Sprecher einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters.

Für Huawei wäre das eine Katastrophe. In Sachen Hardware mag das Mate 30 das künftige Topmodell sein - ohne entsprechende Software könnte es zum Flop werden. Außerhalb von China sind Smartphones ohne Google-Dienste nahezu unverkäuflich. Finden die beiden Unternehmen nicht schnell eine Lösung, um trotz der Sanktionen von Donald Trump zusammenarbeiten zu können, gibt es nur Verlierer: Huawei, Google - und alle Nutzer, die sich für das Mate 30 interessieren. "Wenn die US-Regierung es uns ermöglicht, werden wir weiter mit Android arbeiten", sagt ein Huawei-Sprecher. "Wenn nicht, werden wir weiter unser eigenes Betriebssystem entwickeln."

Präsident Trump hat US-Firmen untersagt, Geschäfte mit Huawei zu machen

Im Mai hatte der US-Präsident den Telekommunikations-Notstand ausgerufen und amerikanischen Unternehmen verboten, Geschäfte mit Huawei zu machen. Trump wirft dem Konzern Spionage vor und unterstellt ihm allzu enge Verbindungen zur chinesischen Regierung. Kurz darauf lockerte Handelsminister Wilbur Ross aber die Auflagen und erteilte Huawei eine zeitlich begrenzte Sondererlaubnis. Die Frist wäre eigentlich am 19. August abgelaufen, doch am Stichtag gewährten die USA Huawei weitere 90 Tage Aufschub bis Mitte November.

Die Ausnahmeregelung gilt allerdings nur für Geräte, die bereits auf dem Markt sind. Das Mate 30 ist das erste neue Huawei-Smartphone, seit Trump den Handelsstreit eskalieren ließ. Google darf Huawei dafür also keine Software verkaufen. Besonders schwer wiegt der Verlust des Play Store. Damit wird das Mate 30 aus Googles Ökosystem ausgesperrt. Nutzer können Apps nicht mehr wie gewohnt installieren und aktualisieren, sondern müssen alternative App-Stores nutzen. Huawei darf nur noch auf das quelloffene Android Open Source Project (AOSP) zugreifen. Es stellt aber nur ein Gerüst dar, das ohne weitere Software nicht funktionsfähig ist.

Dem US-Handelsministerium sollen Reuters zufolge mehr als 130 Anträge von Unternehmen vorliegen, die weiter mit Huawei Geschäfte machen wollen. Bislang sei keine dieser Lizenzen erteilt worden. Ob Google ebenfalls eine Ausnahme beantragt hat, ist unklar. Ein Sprecher sagte nur, dass man weiter mit Huawei zusammenarbeiten wolle.

Seit Monaten versucht Huawei, bestehende Nutzer und potenzielle Käufer zu beruhigen. 17 aktuelle Geräte würden die kommende Android-Version 10 erhalten. "Smartphones und Tablets, die verkauft wurden, aktuell verkauft werden oder auf Lager sind, werden weiterhin Sicherheits- und Softwareupdates erhalten", so Huawei. Für neue Geräte gilt dieses Versprechen aber eben nicht.

Vor zwei Wochen zitierte Bloomberg aus einem internen Memo. Der Verbraucher-Sparte stehe ein "schmerzhafter langer Marsch" bevor, schrieb Huawei-Gründer Ren Zhengfei. Die Unsicherheit schreckt Nutzer bereits jetzt ab: Im zweiten Quartal verkaufte Huawei in Europa fast zwei Millionen Smartphones weniger als im Vorjahr, der Marktanteil sank um mehr als 16 Prozent. Analysten prognostizieren Verluste im zweistelligen Milliardenbereich.

Um Trumps Sanktionen nicht länger hilflos ausgesetzt zu sein, arbeitet Huawei an einem eigenen Betriebssystem, das im Westen unter dem Namen Harmony OS vermarktet werden soll. Alle bislang bekannten Details deuten jedoch darauf hin, dass Harmony eher eine Plattform für unterschiedliche Gerätekategorien darstellt. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass Huawei schon in naher Zukunft eine vollwertige Alternative zu einem ausgefeilten System wie Android anbieten kann. In der Vergangenheit sind Unternehmen wie Mozilla, Nokia und Microsoft mit dem Versuch gescheitert, eigene mobile Betriebssysteme zu etablieren.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2019
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