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Haushaltspolitik:Lindner und sein Finanzministerium sind in Not

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Ukraine-Krise, weltweiter Hunger, Pflegereform: Es müsste viel getan werden - doch im nächsten Haushalt dürfte es eine große Lücke geben. Das bringt Spannungen mit sich.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Dass die Aufstellung des nächsten Haushalts kein Spaziergang werden würde, hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schon im Dezember deutlich gemacht. Damals schrieb er an die Vorsitzenden der Ampelfraktionen, man dürfe sich keiner Illusion hingeben. Der Haushalt 2024 werde eine "ungleich größere politische Aufgabe" als der vorangegangene. Jetzt, zwei Monate später, laufen die Verhandlungen - und die Schwierigkeiten sind da.

"Es ist ein Hammer, was da an Kürzungen geplant ist", sagt ein Ampel-Haushälter der SZ und verweist beispielsweise auf die Etats des Auswärtigen Amtes oder des Entwicklungsministeriums. Dort sollen trotz Ukraine-Krise und weltweitem Hunger Milliarden gekürzt werden. Das sei nicht akzeptabel. Auch beim Klima- und Transformationsfonds drohten große Lücken. Einen milliardenschweren Finanzbedarf hatte zuletzt auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für seine Pflegereform angekündigt.

Tatsächlich aber sieht der Finanzplan für 2024 nur noch Ausgaben von knapp 424 Milliarden Euro vor; dieses Jahr sind es noch gut 476 Milliarden. Und während dieses Jahr noch 40,5 Milliarden Euro aus Rücklagen in den Etat fließen, sind für nächstes Jahr nur noch 7,7 Milliarden übrig. Für 2024 rechnet das Finanzministerium zudem mit 12,3 Milliarden Euro neuen Schulden. Zum Vergleich: Dieses Jahr sind es 45,6 Milliarden - allerdings inklusive einiger Darlehen, die nicht mitzählen bei der Schuldenbremse. Hinzu kommt: Nachdem Lindner für die Strom- und Gaspreisbremse und die Bundeswehr noch auf Sonderhaushalte zurückgegriffen hat, dürfte seine Neigung, das zu wiederholen, für das kommende Haushaltsjahr äußerst gering sein.

Der Finanzplan bildet die Obergrenze für die Einzelpläne der Ressorts, heißt es

Derzeit laufen die Gespräche für die Haushaltseckwerte, die das Kabinett am 15. März beschließen soll. Noch wird auf Staatssekretärsebene verhandelt. Hakt es, müssen die Minister ran. Zum Auftakt Mitte Januar hatte Lindners Haushaltsstaatssekretär seinen Ressortkollegen gleich mal vorgerechnet, dass schon jetzt eine Milliardenlücke drohe. Aus der Präsentation für das Treffen geht hervor, dass das Finanzministerium zwar mit Steuermehreinnahmen von 16 Milliarden Euro rechnet - dass dem aber 31 Milliarden Euro für Projekte gegenüberstehen, die noch nicht abgebildet sind im bisherigen Finanzplan. Dazu gehören das Bürgergeld und die Wohngeldreform, der Ausgleich der kalten Progression, Flüchtlings- und Nahverkehrshilfen für die Länder - und zwölf Milliarden Euro mehr für gestiegene Zinsen und höhere Personalkosten. Weil das Ministerium auf der Habenseite mit einem zusätzlichen Verschuldungsspielraum von drei Milliarden Euro rechnet, bliebe am Ende eine Lücke von zwölf Milliarden Euro.

Der Finanzplan, heißt es in der Präsentation, bilde die "absolute Obergrenze" für die Einzelpläne der Ressorts. Und: "Zwischenzeitlich hinzutretende Belastungen sind aus den bestehenden Finanzplanansätzen zu finanzieren." Was bedeutet, dass die Ressorts für neue Projekte, die Geld kosten, in ihren eigenen Haushalten umschichten müssten.

Aus Ministeriumskreisen heißt es, dass auch die Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen noch ein großes finanzielles Risiko mit sich bringt. Fällt der Tarifabschluss hoch aus, steigen die Personalkosten des Bundes kräftig. Vorgesorgt ist für diesen Fall nicht; auch das müssten die Ressorts also durch Umschichten und Priorisieren hinkriegen. Auch die Kindergrundsicherung ist noch nicht eingepreist im Finanzplan bis 2026. Während die FDP darunter vor allem eine Bündelung von Leistungen versteht, plant Familienministerin Lisa Paus (Grüne) durchaus Leistungsausweitungen. Das Finanzministerium aber hält große neue Leistungsgesetze, die viel Geld kosten, generell für schwer darstellbar - außer es fällt dafür ein anderer Kostenpunkt weg. Mehr Klarheit wird erst die Steuerschätzung im Mai bringen.

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