Süddeutsche Zeitung

Rückzug der Gründer:Google ist auch nur noch ein völlig normaler Konzern

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Aus der kleinen Suchmaschinen-Bude ist eine Weltfirma geworden, die nach Macht und Einfluss strebt. Die Gesellschaft muss endlich überlegen, wie sie mit Googles Daten-Sammelwut umgehen will.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Es hätte auch schiefgehen können, damals um die Jahrtausendwende herum, als das Start-up vom Erfolg des eigenen Produkts fast erdrückt worden wäre. Mit Google im Internet zu suchen, das war einfach so viel besser als das, was die Konkurrenz anzubieten hatte, dass die junge Firma den Ansturm der Nutzer nur mit Mühe bewältigen konnte. Und: Es fehlte ein Geschäftsmodell. Schließlich kostete es eine Menge Geld, die Server bereitzustellen, die den Suchenden ratzfatz ein Ergebnis lieferten.

Wie wir heute wissen, fand sich schließlich eine Geldquelle: Internet-Werbung. Eine Quelle, die sprudelt und sprudelt. Im Geschäftsjahr 2018 kam das Unternehmen auf einen Umsatz von 136 Milliarden Dollar, allein im jüngsten Quartal verbuchte es gut sieben Milliarden Gewinn. Aus der kleinen Suchmaschinen-Bude ist eine Weltfirma geworden, die in allen zukunftsträchtigen Feldern nicht bloß irgendwie mitmischt, sondern vorne dabei ist. Autonomes Fahren, künstliche Intelligenz, Quantencomputer - um nur einige zu nennen - in allen diesen Gebieten ist der Konzern Weltspitze.

Es mag sein, dass die beiden Gründer Larry Page und Sergej Brin einmal von Idealen beseelt waren. Nicht einmal ausgeschlossen, dass Reste davon noch in ihnen glimmen. Unter dem langjährigen De-facto-Boss Sundar Pichai ist die Firma aber vor allem eines geworden: ein völlig normaler Konzern. Ein riesiges Unternehmen also, das danach strebt, Macht und Einfluss auszuweiten und die Aktionäre zufriedenzustellen. Deshalb ist es nur konsequent, wenn die Gründer Page und Brin sich nun zurückziehen und dem Macher Pichai das Feld überlassen.

Google war einst angetreten mit dem Versprechen, der Menschheit das Wissen der Welt zu erschließen. Und wie davor schon bei Rundfunk und Fernsehen glaubten oder hofften wenigstens viele, das steigende Angebot an Informationen würde zu mehr Transparenz führen. Wie sich zeigt, ist das nur zu einem Teil wahr geworden. Denn zum einen können die Menschen mit der Flut an Informationen, die auf sie hereinströmt, nicht richtig umgehen. Zum anderen aber, und hier liegt das große Versäumnis der Datenkonzerne, zu denen man auch Facebook und andere rechnen muss: Um ihrer eigenen Interessen willen ließen sie es zu, dass ihre Angebote zu Horten der Intransparenz wurden.

Sie taten zu wenig dagegen, dass ihre Angebote dazu genutzt werden, Fake News zu verbreiten, dass Hass und Häme regieren. Gerade weil das Versprechen der Internetfirmen so groß war, wiegt ihr Versagen umso schwerer. "Das Internet" ist gewiss nicht alleine schuld an vielen negativen Entwicklungen unserer Zeit wie Nationalismus und Fremdenhass. Doch wirkt es, weil diese Firmen noch immer nur rudimentär reguliert werden, als Katalysator.

Wird Google ein Konkurrent gefährlich, versucht man ihn zu kopieren oder zu kaufen

Wie sehr sich Google mehr und mehr in einen gewöhnlichen Konzern verwandelt, sieht man auch am Umgang mit den eigenen Mitarbeitern. Anstatt es zu begrüßen, dass Angestellte sich Gedanken darüber machen, ob ihre Firma noch auf dem richtigen Weg ist, werden diese inzwischen nicht nur gemaßregelt, sondern sogar entlassen. Dabei ging es um die Zusammenarbeit mit dem US-Verteidigungsministerium in Sachen künstliche Intelligenz oder um eine Such-App für China, die Zensur nach Pekinger Gusto enthalten sollte.

Im August dieses Jahres erließ der Konzern sogenannte Community Guidelines, die es Mitarbeitern nahelegten, am Arbeitsplatz keine Debatten über Politik und Ähnliches zu führen. Es kam sogar der Verdacht auf, eine Erweiterung des internen Terminkalenders, die Alarm schlägt, wenn sich größere Gruppen verabreden, solle Zusammenschlüsse der Mitarbeiter zu Protesten verhindern. Schließlich wurde auch noch die Häufigkeit und der Zuschnitt des traditionellen Freitags-Meetings geändert - weil, wie Pichai sagte, immer wieder Informationen aus den Treffen nach außen gedrungen seien.

Auch nach außen verhält sich das Unternehmen wie ein gewöhnlicher Konzern. Wird ihm ein Konkurrent gefährlich, versucht man, ihn zu kopieren oder zu kaufen, manchmal nur, damit es kein Konkurrent tut. Start-ups haben es in einem solchen Klima ziemlich schwer. Global gesehen ist es besonders bedenklich, dass der Konzern Unmengen vom wertvollsten Stoff des 21. Jahrhunderts anhäufen kann: Daten. Das hat mittlerweile schon die Menschenrechtsorganisation Amnesty International auf den Plan gerufen. Das Problem ist allerdings, dass man sich Google kaum entziehen kann, denn es leistet ja auf vielen Gebieten gute Arbeit. Langsam wird es Zeit, dass die Gesellschaften zusammen überlegen, wie sie auf Dauer damit umgehen wollen.

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SZ vom 05.12.2019
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