Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Furcht vor dem Dollar-Schock

Lesezeit: 4 min

Steuern die Schwellenländer nach dem überraschenden Sieg von Donald Trump auf eine neue Wirtschaftskrise zu? Ganz so schlimm muss es nicht kommen.

Von Felicitas Wilke und Lukas Zdrzalek, München

Für einen Finanzmanager wie Nicolas Schlotthauer hätte es ein relativ unkompliziertes, ja fast schon entspanntes Jahr werden können. Schlotthauer wacht bei der Deutschen Asset Management (DAM), der Fonds-Tochter der Deutschen Bank, über das etwa 3,5 Milliarden Euro schwere Geschäft mit Schwellenländer-Staatsanleihen. Seit Januar dieses Jahres lief Schlotthauers Geschäft gut: Indizes für Anleihen von aufstrebenden Ländern hatten seit Jahresbeginn mühelos mehr als zehn Prozent an Wert hinzugewonnen - dann kam der Dienstag vor knapp zwei Wochen. Und in Schlotthauers Welt wurde es unruhig.

Vor knapp 14 Tagen wählten die US-Amerikaner Donald Trump zum neuen Präsidenten - und prompt stürzten die Börsen in Schwellenländern wie Mexiko und Brasilien ab. Finanzmanager wie Nicolas Schlottau sahen auf ihren Computer-Monitoren, wie Anleihe-Indizes zwischenzeitlich bis zu sieben Prozent einbüßten, wie der Aktienindex MSCI Emerging Markets rund zehn Prozent Verlust erlitt. Noch stärker stürzten viele Währungen ab: Der südafrikanische Rand beispielsweise verlor neun Prozent, der mexikanische Peso gar gut zehn Prozent. Doch der Börsen-Pessimismus könnte auch übertrieben sein, die Märkte reagierten im ersten Moment überpanisch. Im Gegenteil: Einige wenige Schwellenländer könnten sogar von dem neuen US-Präsidenten Donald Trump profitieren. Ein Überblick.

Handelsbeziehungen

Im Wahlkampf hat Trump angekündigt, bestehende Freihandelsabkommen neu verhandeln zu wollen und auf Importe aus China Strafzölle zu erheben. Würden die USA aus diesem Grund weniger Waren aus der Volksrepublik einführen, hätte das auch Folgen für andere asiatische Schwellenländer, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am ifo-Institut in München. "An den chinesischen Exporten hängen wiederum die Waren der Zulieferer aus Vietnam oder Indonesien."

Noch stärker als die asiatischen Staaten ist Mexiko von den USA abhängig. Dank der Freihandelszone Nafta kann das Land zollfrei in die Vereinigten Staaten exportieren. Viele Automobilhersteller, Maschinenbauer und andere Industrieunternehmen produzieren deshalb im billigeren Mexiko für das Nachbarland. Etwa 80 Prozent der aus Mexiko ausgeführten Waren gehen in die USA. Sollte Trump Nafta neu verhandeln wollen und Zölle erheben, droht dem lateinamerikanischen Land ein Wirtschaftsabschwung.

Falls Trump jedoch sein geplantes Infrastrukturprogramm durchzieht, "könnten einige Schwellenländer davon sogar profitieren", sagt DAM-Manager Nicolas Schlotthauer. Baut der Republikaner etwa das Eisenbahnnetz aus, brauchen die Vereinigten Staaten dafür viel Kupfer — aber in den US-amerikanischen Erden liegt davon nur wenig. Trump wird den Rohstoff importieren lassen müssen, etwa aus Chile, Sambia und Peru, die zu den wichtigsten Förderländern zählen.

Das Schuldenproblem

Andererseits glauben viele, dass Trumps Konjunkturprogramm dem Großteil der Schwellenländer schaden könnte. Der Republikaner wird es mit Schulden finanzieren müssen, er wird also mehr Staatsanleihen ausgeben müssen. Die Zinsen steigen dadurch. Diese Aussicht lockt Investoren in die sicheren US-Papiere, während sie ihr Geld aus den wesentlich riskanteren Schwellenländern abziehen. Dadurch verlieren die Währungen dieser Staaten an Wert.

Das ist ein Problem für Schwellenländer, glauben manche, weil sich Bürger, Unternehmen und Staaten teils in US-Dollar verschuldet haben. Sinkt der Wert einer Währung relativ zum Dollar etwa um 50 Prozent, müssen die Schuldner auch 50 Prozent mehr an eigener Währung aufbringen um dieselbe, in US-Dollar notierende Summe wie vorher zahlen zu können.

Jedoch werden die schwächeren Schwellenländer-Währungen keine flächendeckende Schuldenkrise auslösen. Nur bei einigen Staaten drohen Schwierigkeiten. Ein Beispiel dafür ist die Türkei, wo die Banken viele Kredite in Dollar aufgenommen haben. Ein weiteres sind die Golf-Staaten, deren Ölindustrie traditionell an der US-Währung klebt. "Die meisten anderen Länder dürften den Währungsverfall eher unbeschadet überstehen", sagt DAM-Mann Nicolas Schlotthauer. Viele Staaten sind entweder nur relativ gering verschuldet, Indonesien etwa mit weniger als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Oder sie halten wie Brasilien ihre Verbindlichkeiten zu größeren Teilen in der eigenen Landeswährung und nicht in US-Dollar.

Geldtransfers von Migranten

Bis zu drei Millionen illegale Einwanderer will Donald Trump abschieben. Für die mittelamerikanischen Herkunftsstaaten der Migranten kann das zu einem Problem werden. Denn obwohl diese Menschen gar nicht mehr in ihrem Heimatland leben, tragen sie teils erheblich zur Wirtschaft des Landes bei, indem sie Teile ihrer US-Gehälter in die Heimat überweisen. In Guatemala machen diese Transfers fast sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukt aus, in El Salvador sind es acht, in Honduras gar mehr als dreizehn Prozent, zeigen Berechnungen der Fondsgesellschaft M&G.

Weist Trump die drei Millionen Migranten über die Dauer seiner gesamten Amtszeit hinweg aus, "wird das kaum oder nur geringfügige Folgen haben", sagt Claudia Calich, Schwellenländer-Expertin von M&G. Schon Trumps Vorgänger Barack Obama schob mehrere Millionen Illegale ab, ohne dass die mittelamerikanischen Volkswirtschaften litten. Falls Trump aber Jahr für Jahr mehrere Millionen Migranten abschiebt, droht den Herkunftsländern ein Wirtschaftsabschwung. Die Milliarden Dollar schweren Transfers können Honduras, Guatemala und Co. nicht binnen kurzer Zeit ersetzen. Jedoch gibt es Zweifel, ob die US-Behörden überhaupt in der Lage wären, im Jahresrhythmus Millionen Menschen auszuweisen — vermutlich wären sie mit dieser Groß-Aufgabe überfordert.

Was Anleger wissen müssen

Trump hat viele Politprojekte angekündigt - noch ist aber unklar, wie viel er davon umsetzen kann. Natalia Wolfstetter warnt Anleger deshalb vor Panik. Die Analystin der Fondsratingagentur Morningstar empfiehlt langfristig orientierten Anlegern trotz des Kurssturzes, "an einer geringen Beimischung im Portfolio von fünf bis sieben Prozent an Aktien und Anleihen aus Schwellenländern festzuhalten und abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt". Investoren, die angesichts der gefallenen Kurse eine Kaufchance sehen, sollten wissen, dass Schwellenländer-Papiere riskanter sind als europäische und nordamerikanische Titel, da die Kurse viel stärker schwanken können. Wer sich dennoch dafür entscheidet, sollte sich auf Fonds konzentrieren, etwa sogenannte ETFs, die Aktien und Anleihen aus verschiedenen Ländern kaufen und dadurch das Risiko streuen.

Wollen Anleger in grundsätzlich riskantere Einzeltitel investieren, bieten sich eher Anleihen als Aktien an. Schwellenländer-Aktien notieren im Regelfall in den Landeswährungen, die besonders stark schwanken. Diese Aktien sind daher enorm riskant. Einige Schwellenländer-Anleihen notieren dagegen auch in US-Dollar oder in Euro. Das Währungsrisiko ist hier entweder geringer oder existiert im Fall der Euro-Anleihen erst gar nicht.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2016
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