Süddeutsche Zeitung

Gasversorgung:Prämien für Energiesparer

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Wie der Ökonom Achim Wambach Verbraucher und Firmen dazu bringen will, Gas einzusparen - und so für den Krisenfall vorzusorgen.

Von Caspar Busse und Hendrik Munsberg

Vizekanzler Robert Habeck mag klare Worte. Via Frühstücksfernsehen rief er die Deutschen am Mittwoch zum Energiesparen auf, unabhängig davon, wie sich die Lage in der Ukraine entwickele: "Es hat Vorrang", mahnte der grüne Wirtschaftsminister, "dass wir nicht komplett nackt durch den Winter laufen müssen, wenn Putin uns den Gashahn abdreht."

Aber soll der Staat, um rechtzeitig Energiespar-Erfolge zu erzielen, Haushalte und Firmen auch mit Prämien belohnen, wenn sie weniger Gas verbrauchen? Dafür plädierte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, jetzt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Den Ökonomen treibt die Sorge um, dass die zuständige Bundesnetzagentur bei der Bewältigung einer Notlage in der Gasversorgung zu sehr auf starre behördliche Regeln setzt und zu wenig auf die Steuerung durch Preissignale - wie Zahlungen an Verbraucher und Firmen. Die Grundidee: Wer rechtzeitig solche Prämien auslobt, bewegt Verbraucher und Unternehmen viel eher und effektiver dazu, den Gasverbrauch einzuschränken.

"Das Leben ist dann nicht mehr fröhlich und locker"

Darum verlangt der ZEW-Chef von Bundesregierung und Bundesnetzagentur, "deutlich mehr Kreativität, als bisher zu sehen ist". Denn: "Das Gas, das wir jetzt nicht verbrauchen, können wir speichern." Deshalb sei es "sinnvoll, schon jetzt Gas einzusparen."

Wambach reagiert damit auf Äußerungen des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, in der FAZ. Müllers Behörde wird in der "Notfallstufe", in der "eine erhebliche Störung der Gasversorgung" vorliegt, zum "Bundeslastverteiler". Heißt im Klartext: Die Netzagentur entscheidet in dieser letzten von drei Eskalationsstufen, wer wie viel Gas bekommt, in "enger Abstimmung mit den Netzbetreibern". Aber - und das ist der Punkt, der Wambach beunruhigt - sie entscheidet dann aufgrund "nicht marktbasierter Regeln", wie es im Verwaltungsdeutsch heißt.

Müller erklärte jetzt, worauf das in der Praxis hinausläuft. Auf die Frage "Wen schalten Sie wann ab?", antwortete der Netzagentur-Chef: Vorrangig versorgt würden gemäß EU-Recht "geschützte Kunden", also Verbraucher und Kleinstverbraucher, die bis zu 10 000 Kilowattstunden Gas pro Jahr beziehen. Auch geschützt sind Gewerbebetriebe, die maximal 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr verbrauchen: Bäckereien, Supermärkte, Landwirtschaftsbetriebe, Schulen oder Gärtnereien, zudem Spitäler, Pflegeeinrichtungen, Gefängnisse, Polizei und Feuerwehr.

Und wem wird die Gaszufuhr zuerst gesperrt? Laut Müller trifft das Schwimm- und Spaßbäder. Die Netzagentur will zuerst den Freizeitsektor einschränken, bevor Betriebe und Arbeitsplätze betroffen sind. Schließlich, so Müller, gehe es um "eine echte Krise", das Leben sei dann "nicht mehr fröhlich und locker".

"Dann haben wir ein massives Problem"

Kompliziert sind die Regeln, nach denen die Netzagentur Unternehmen ("Großverbraucher") bei der Gasversorgung berücksichtigt. Sechs Kriterien sollen die Behörde in der Krise leiten: zum einen die Dringlichkeit und die Größe der Firmen, außerdem werde darauf geachtet, dass manche Unternehmen mehr Zeit brauchen, um "geordnet" herunterzufahren. Vermieden werden sollen auch Schäden, wie sie etwa in der Keramikindustrie entstehen, wenn Produktionsanlagen erstarren und unbrauchbar werden. Wichtiges Kriterium, sagt Müller, sei schließlich die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten. "Leider", so der Netzagentur-Chef, sei es nicht möglich, "diese Kriterien in eine eindeutige Reihenfolge zu bringen".

Um zu zeigen, was auf dem Spiel steht, verweist Wambach auf die Studie zu den Folgen eines Gas-Embargos, die eine Gruppe um den Ökonomen Rüdiger Bachmann unlängst vorlegte. Demnach kann ein Gas-Embargo das deutsche Bruttoinlandsprodukt um bis zu drei Prozent schmälern. Aus diesen Modellrechnungen, so Wambach, ergebe sich aber auch: "Wenn das Gas an die Haushalte geht und nicht an die Unternehmen, dann reden wir von zehn Prozent Einbuße beim Bruttoinlandsprodukt. Dann haben wir ein massives Problem, weil dann die Industrie zusammenbricht." So schlimm mag es nicht kommen, aber auf Klaus Müller lastet große Verantwortung.

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