Süddeutsche Zeitung

China:40 Euro für eine "Apple-Watch"

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Von Marcel Grzanna, Shanghai

Weltweit ist die Apple Watch erst Ende April zu haben. In China ist es jetzt schon so weit. Zumindest sehen einige der smarten Uhren, die auf Elektronikmärkten in Südchina oder einschlägigen Internetportalen angeboten werden, dem neuesten Spielzeug aus Kalifornien ziemlich ähnlich. Der Bildschirm, das Armband, die Anordnung der Knöpfe ähneln dem Design von Apple. Und auch die Namen der fernöstlichen Produkte wie etwa Ai Watch wecken Assoziationen an die Gadgets aus dem Portfolio der Amerikaner. Stutzig werden sollten die Kunden allerdings spätestens beim Preis. Denn die Ai Watch ist schon für umgerechnet unter 40 Euro zu haben. Die echte Armbanduhr aus dem Hause Apple wird in China hingegen mehr als 320 Euro kosten.

Zheng Yi ist Chef der Technologiefirma YQT Electronic Co. aus Shenzhen. Gleich zu Beginn des Telefongesprächs stellt er klar: "Wer hier von wem abkupfert, ist nicht so einfach zu beantworten." Es sei sehr schade, dass chinesische Firmen immer gleich als dreiste Nachahmer hingestellt würden - statt einmal ihren eigenen Innovationsgeist zu würdigen. Seit sieben Jahren, sagt er, arbeite sein Unternehmen an der Entwicklung intelligenter Uhren und habe zahlreiche Patente in China angemeldet. Ursprünglich lieferte YQT nur Komponenten für andere Hersteller.

Kopien gelten als ehrenhaft

Die Skepsis gegenüber chinesischer Elektronik kommt jedoch nicht von ungefähr: aufmerksam beobachten, was in der Welt Erfolg hat, und dies dann einfach abkupfern - das hat in der Volksrepublik Tradition. Entwickler eifern mitunter völlig arglos dem Design eines Markenproduktes nach, weil die Kopie des Meisters in China als durchaus ehrenhaft gilt. Oft wird geistiges Eigentum aber auch einfach schamlos geraubt. Diese Praxis ist nach wie vor weit verbreitet und beschäftigt die Rechtsabteilungen großer Firmen. Betroffen davon sind aber längst nicht mehr nur ausländische Unternehmen. Auch viele chinesische Firmen klagen über Fälschungen ihrer Produkte.

Dass die Apple Watch die Entwickler von YQT inspiriert hat, leugnet Firmenchef Zheng nicht. Die Ähnlichkeit zum Original ist auch nur schwer zu übersehen: Wie die Apple Watch hat die Uhr einen Schrittzähler integriert, einen Kalender oder eine Art Fernsteuerung für die Kamera im Handy. Allerdings hat das Unternehmen andere seiner Modelle mit zahlreichen weiteren Funktionen ausgestattet. Sie empfangen E-Mails, spielen Musik ab und taugen sogar als Telefon. Entscheidender Unterschied aller Modelle zur Apple Watch aber ist das Betriebssystem: Apple setzt auf die eigene Software iOS. Die Chinesen hingegen nutzen Android, jene Software, die Google entwickelt und zahlreichen Geräteherstellern zur Verfügung stellt. Zheng garantiert seinen Kunden deshalb, dass sich die Uhr auch mit anderen mobilen Geräten wie etwa Smartphones und Tablets leicht verbinden lässt.

Alternative für Leute mit wenig Geld

"Wir spielen mit Apple natürlich nicht in einer Liga. Aber für Leute, die nicht so viel Geld ausgeben können oder wollen, sind wir eine gute Alternative", sagt er. Bis zu 30 000 Klone können seine 100 Mitarbeiter im Monat produzieren. Seit der offiziellen Vorstellung der Apple Watch habe die Nachfrage deutlich zugelegt. Das Original wird mit zusätzlichen Funktionen für den chinesischen Markt ausgerüstet. Ein in der Volksrepublik populärer Chatdienst wird integriert ebenso wie ein Bezahlsystem für die Handelsplattformen des dortige Konzerns Alibaba. Trotzdem sind Experten skeptisch, ob die Apple Watch in China ein Erfolg wird: Die Batterien hielten nicht lange, das Gerät sei zudem äußerst eng ans iPhone geknüpft.

Dass Apple sich auf einen Rechtsstreit mit YQT einlassen wird, gilt als unwahrscheinlich. Der Schaden, der durch die Billigkonkurrenz entsteht, sei sehr gering. "Die Kunden, die nach Kopien in der unteren Preiskategorie Ausschau halten, sind ohnehin nicht Apples Zielgruppe", sagt der Analyst Neil Shah von Counterpoint Research. Apple äußert sich dazu nicht. Aber gegen den chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi, dem ebenfalls vorgeworfen wird, das iPhone als Vorlage für seine eigenen Modelle zu nutzen, gingen die Amerikaner bislang zumindest öffentlich nicht vor. Und Xiaomi richtet sich ähnlich wie nun YQT mit seiner Uhr an eine ganz andere Kundschaft als Apple.

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SZ vom 31.03.2015
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