Süddeutsche Zeitung

Verbraucherschutz:Kein Training, keine Rechnung

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In der Pandemie waren die Fitnessstudios im Land wochenlang geschlossen. Die Kunden können deshalb Geld zurückfordern, hat nun der BGH entschieden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Fitnessstudios sind längst wieder geöffnet. Aber eine Streitfrage aus den Zeiten der Corona-bedingten Schließungen harrte noch einer verbindlichen Klärung: Können die Kunden ihr Geld zurückfordern? Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH), letzte Instanz in solchen Fragen, eine Antwort gegeben - und zwar ein klares Ja.

Ein Kläger aus dem Raum Papenburg hatte für 29,90 Euro pro Monat einen Zwei-Jahres-Vertrag mit einem Fitnessstudio geschlossen, der im Dezember 2019 beginnen sollte, also quasi am Vorabend der Pandemie. Nach nur drei Monaten musste das Studio auf behördliche Anordnung vom 16. März bis zum 4. Juni schließen. Der Kunde kündigte und verlangte sein Geld zurück oder wenigstens einen "Wertgutschein", das Studio hingegen bot lediglich eine "Gutschrift über Trainingszeit" an, was der Kläger aber ablehnte. Kurzum: Man traf sich vor Gericht.

Wie zuvor schon Amts- und Landgericht, sprach nun auch der BGH dem Mann einen Anspruch auf Erstattung von knapp 90 Euro zu (Az. XII ZR 64/21). Die knifflige Rechtsfrage lautete: Kann man die verpasste Zeit nicht einfach hinten dranhängen, statt den Kunden einen Rückzahlungsanspruch zu gewähren? Juristisch wäre das möglich, wenn man die Pandemie und die behördlichen Anordnungen als "Störung der Geschäftsgrundlage" ansieht. Dann ließe sich der Vertrag einfach entsprechend anpassen.

Der BGH hat sich aber gegen diesen Weg entschieden. Eine einseitige Laufzeitverlängerung des Vertrags mit dem Studio scheidet damit aus. Notwendig wäre dafür, dass beide Seiten sich darauf einigen, die verpasste Zeit nachzuholen.

Der Grund dafür liegt dem BGH zufolge darin, dass Sinn eines solchen Vertrags eben nicht ist, irgendwann später ins Studio zu gehen - Fitness lässt sich nicht nachholen. Der Betreiber schulde dem Kunden die Möglichkeit, "fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen", schreibt der BGH. Denn der Zweck liege in der "regelmäßigen sportlichen Betätigung" und diene damit der Fitness oder dem Erhalt der Gesundheit. "Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung", heißt es in der Entscheidung. Die rechtliche Konsequenz daraus ist: Wenn das Studio geschlossen wird, dann wird es dem Betreiber "unmöglich", seine vertragliche Leistung zu erbringen, weil sie nicht aufschiebbar ist - womit der Zahlungsanspruch gegen den Kunden entfällt.

Bleibt die Frage nach dem Wertgutschein. Von Mai 2020 an galt eine Gutscheinregelung für ausgefallene "Sport- und sonstige Freizeitveranstaltungen", eine Maßnahme, um der Kultur- und Freizeitbranche das Überleben in der Pandemie zu sichern. Allerdings ist laut BGH damit eben ein echter Wertgutschein gemeint, der notfalls gegen bares Geld eingelöst werden kann. Die bloße "Gutschrift über Trainingszeit" genügt nicht. Hinzu kommt: Selbst ein Wertgutschein hätte das Studio nicht von seiner Rückzahlungspflicht befreit - weil er, genau besehen, nicht mehr als eine Stundung ist. Das Gesetz gewährt hier eine Frist bis Ende 2021. Wenn der Gutschein bis dahin nicht für zusätzliche Fitnessstunden eingelöst worden ist, dann kann der Kunde doch noch sein Geld zurückverlangen.

Mitgliedsbeiträge für Sportvereine können nicht zurückgefordert werden

Unklar ist, ob noch viele solcher Streitigkeiten offen sind. Wahrscheinlich haben sich beide Seiten in den meisten Fällen ohnehin pragmatisch geeinigt. Jedenfalls entspricht das Urteil der Linie, die zum Beispiel vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) vertreten worden ist, unter Berufung auf die Urteile von Gerichten aus den unteren Instanzen. Die Verbraucherschützer weisen zudem auf eine weitere Klausel des Wertgutscheingesetzes hin. Danach kann die Einlösung auch dann verweigert werden, wenn der Verweis auf den Gutschein wegen der persönlichen Lebensumstände unzumutbar ist - also bei akuter Geldknappheit. Nach Ablauf der Gutscheinfrist dürfte sie freilich keine entscheidende Rolle mehr spielen.

Was die weiteren Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Fitness-, Yoga- oder Tanzstudios angeht, weist der VZBV darauf hin, dass die Kunden lediglich nach den im Vertrag festgelegten Fristen zur Kündigung berechtigt waren - nicht aber zur fristlosen Kündigung. Denn die Möglichkeit zur Nutzung des Studios sei mit der vorübergehenden Schließung nicht dauerhaft weggefallen, sondern nur für eine überschaubare Phase.

Und noch eines gelte es zu beachten: Was für Studios gilt, ist nicht ohne Weiteres auf Vereine übertragbar - beispielsweise auf Sportvereine. Denn der Mitgliedsbeitrag ist kein Entgelt für eine bestimmte Leistung, sondern fördert den Vereinszweck. Und damit wäre eine Rückzahlungspflicht nicht vereinbar.

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