Süddeutsche Zeitung

Fintechs:Kuscheln statt kontern

Lesezeit: 3 min

Es ist nicht lange her, dass junge Unternehmen die Banken herausforderten. Inzwischen jedoch steht Kooperation ganz oben auf der Agenda.

Von Andrea Rexer

Wer denkt, dass sich Start-up-Gründer nur für die digitale Welt interessieren, liegt falsch. Das Gegenbeispiel liefert ein Berliner Finanz-Start-up namens Barzahlen. Es verspricht, die Zahlung mit Münze und Schein zu erleichtern. Klingt verrückt? "Nur auf den ersten Blick", grinst Susanne Krehl. Die PR-Chefin ist das Gesicht von Barzahlen und die Gründerin des Berliner Fintech-Stammtisches, mithin also ziemlich bekannt in der deutschen Finanz-Start-up-Szene. "Wir tun das Gleiche wie viele andere Fintechs: Wir machen durch digitale Anwendung die Finanzwelt bequemer."

Geld gibt es eben nicht nur digital. Man mag denken, dass nichts so einfach ist wie bar zu bezahlen - aber die Gründer des Start-ups haben festgestellt, dass das in einigen Situationen nicht möglich ist. Etwa wenn man online etwas bestellt oder Bustickets oder Reisen im Internet buchen will. "Warum gibt es keinen Button, mit dem man eine Bargeldzahlung auslösen kann?", fragten sich die Gründer und programmierten eine Anwendung, die genau das erlaubt. Schließlich wollen manche sicherheitsbewusste Menschen kein Online-Banking machen oder keine Kreditkartendaten preisgeben. Manche Kunden, die online einkaufen wollen, haben schlicht kein eigenes Konto.

Die Gründer tüftelten eineinhalb Jahre an einer Software, seit 2013 gibt es nun tatsächlich einen "Barzahlen"-Button bei Shops im Internet. Wer darauf klickt, muss einen Coupon ausdrucken und damit in eine Filiale gehen, die mit dem jungen Unternehmen kooperiert. Einige große Lebensmittelketten und Drogeriemärkte tun das bereits, 10 000 Partnerfilialen zählt das Start-up inzwischen. An deren Kassen wird der Coupon eingelesen, der Kunde bezahlt, die Software schickt die Daten an den Online-Händler, der schickt die bestellte Ware los.

Für die Einzelhändler ist das Modell attraktiv: Die Datenanalyse zeigt, dass ihnen Barzahlen zusätzliche Kunden in den Laden bringt, die nicht direkt zur Kasse gehen, sondern im Vorbeigehen auch noch das ein oder andere Shampoo oder einen Schokoriegel in den Einkaufswagen legen.

So untypisch das Geschäftsmodell klingt, so sehr ist Barzahlen doch ein Prototyp der Fintechs. Denn Barzahlen macht der klassischen Finanzindustrie ihre Marge streitig. In diesem Fall drängeln sich die Gründer in den Zahlungsverkehr. Damit dringen sie ausgerechnet in einen Bereich vor, wo sich Banken bisher besonders stark fühlten: im physischen Kontakt mit dem Kunden, dort, wo Münzen und Scheine zum Anfassen sind.

Anfangs haben die Banken Barzahlen belächelt. "Die besetzen eine winzige Nische, das tut uns nicht weh", schoben die Etablierten den Angreifer beiseite. Doch die Nische wurde größer und größer. Und inzwischen haben einige Banken gemerkt, dass die junge Konkurrenz ausgerechnet dort wehtun kann, wo sie bisher dicke Gebühren einsammelten: an den Geldautomaten. Bis jetzt verdienen Banken prächtig daran, wenn Kunden fremder Banken an ihren Automaten Bargeld abheben. Die Gebühren stellen sie entweder den Fremdbanken in Rechnung oder den Kunden. Die DKB ist nun die erste Online-Bank, die ihre Kunden an die Supermarktkasse schickt, an der sie mit der Technologie von Barzahlen kostenlos Geld abheben können. "Weitere Kooperationsbanken werden im nächsten Jahr dazukommen", sagt Barzahlen-Managerin Krehl.

Kuscheln statt kontern - so lautet offenbar das Motto, und das hat auch Methode. Als das Phänomen Fintech in Deutschland neu war, versuchten sich viele Start-ups in der Rolle des Angreifers. Sie behaupteten, sie seien die besseren Banken, die Etablierten würden bald der Vergangenheit angehören, weil die Zukunft einzig im digitalen Banking liege. Die Bank-Manager ihrerseits rümpften verächtlich die Nasen, glaubten, dass ihnen die Jungspunde nichts anhaben könnten. Inzwischen haben beide Lager dazugelernt. Die Grenze zwischen Fin- ohne Tech und Fin- mit Tech verschwindet.

Die Zeit der großen Sprüche ist zu Ende. Jetzt müssen die Start-ups Ergebnisse bringen

Die Großen der Branche haben sich die Start-ups ins Haus geholt: Die Deutsche Bank hat eine Digitalbank gegründet, in der innovative Ideen eine Heimat haben und in Start-up-Atmosphäre gearbeitet werden soll. Die Commerzbank hat einen eigenen Inkubator - also eine Art Brutkammer für junge Firmen - eingerichtet und investiert über einen eigenen Fonds in vielversprechende Unternehmen. Der Fintech-Blogger André Bajorat hat eine Landkarte zusammengestellt, die zeigt, wo Fintechs und Banken kooperieren: Die Ansammlung an Logos wächst und wächst.

Viel spricht dafür, dass die Zeit der großen Sprüche ein Ende hat und eine Phase des stillen Arbeitens beginnt. Jene mehr als 400 Fintechs, die im deutschsprachigen Raum gegründet wurden, müssen nun zeigen, ob sie reale Chancen am Markt haben. Schwarze Zahlen schreiben bislang nur die wenigsten. Selbst wenn die Technik einmal läuft, haben viele Fintechs das Problem, dass sie zu wenige Kunden erreichen. Genau an diesem Punkt werden dann die Banken als Partner spannend, die bereits Millionen Kunden haben.

In Deutschland ist das Interesse der Investoren an Fintechs nach wie vor ungebrochen: Im ersten Halbjahr zählt die Barkow Fintech Money Map 375 Millionen Euro Investitionen, ein neuer Rekord. Allerdings ziehen am internationalen Horizont die ersten Wolken auf. Denn insgesamt geht das Volumen der Wagniskapitalfinanzierungen zurück. "Es gab kaum erfolgreiche Börsengänge", sagt Fintech-Experte Peter Barkow mit Blick auf den amerikanischen Markt, der international den Ton angibt.

Wo kein Geld fließt, werden Investoren ungeduldig. Hinzu kommt, dass international eine Diskussion darüber ausgebrochen ist, ob Start-ups schon zu hoch bewertet sind oder nicht. Die Angst vor einer Spekulationsblase macht die Runde - und das verjagt Investoren. Gut möglich, dass auch in Deutschland die Lust auf Wagnisfinanzierungen dem internationalen Trend folgend zurückgeht.

Barzahlen hat im Januar 2016 die letzte Finanzierungsrunde abgeschlossen. Wie dick das Finanzpolster ist oder wie profitabel die Gründer arbeiten, dazu wird allerdings nichts verraten.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2016
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