Süddeutsche Zeitung

Familienunternehmen: Katjes:Die Zwischenlösung als Dauerbrenner

Lesezeit: 3 min

Der Alte geht von Bord, der Junge ist noch nicht bereit: Wie der Fruchtgummi-Hersteller Katjes dennoch den Generationenwechsel in der Chefetage schaffte.

Stefan Weber

Um den Nachwuchs kann man sich nicht früh genug kümmern. Das gilt für Kunden, Mitarbeiter und den eigenen Nachfolger. Und Katjes zeigt, wie es gehen kann. Jungen Eltern gibt der Süßwarenhersteller aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet einen "Baby-Scheck" über 1500 Euro pro Neugeborenem. Die Familie hat in der Firma mit knapp 400 Mitarbeitern seit je her einen hohen Stellenwert. Und Firmengründer Klaus Fassin, 77, ist vor mehr als zwölf Jahren gelungen, was vielen Familienunternehmern Probleme bereitet: eine gelungene Übergabe der Verantwortung an die nächste Generation.

"Für meinen Vater war immer klar: Mit 65 Jahren ist Schluss", erzählt Bastian Fassin, 36. Die Stabübergabe zu diesem Termin gestaltete sich jedoch schwierig. Fassin junior, der einzige Nachfahre, war Mitte der 90er erst Anfang 20 und steckte im Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster. So entschied sich der Senior 1996 für eine Lösung, die manchem gestandenen Familienunternehmer gehöriges Bauchgrimmen verursacht hätte: Er holte einen externen Manager in die Firma.

Hohe Aufmerksamkeit durch Heidi Klum

Die Wahl fiel auf Tobias Bachmüller, 52, der damals beim Nahrungsmittelkonzern Kraft Jacobs Suchard das deutsche Milka-Geschäft verantwortete. Fassin beteiligte ihn mit zehn Prozent an Katjes und zog sich aus der Geschäftsführung zurück. Und das nicht etwa auf Raten, sondern ziemlich schnell. "Nach zwei Wochen habe ich sein Büro bezogen", sagt Bachmüller. Irgendwann aber, das wusste der Fremd-Manager, werde er die Verantwortung mit dem Sohn des Firmengründers teilen müssen. Gestört habe ihn dieser Gedanke jedoch nie, beteuert er.

Bachmüller trimmte Katjes, die Nummer drei auf dem deutschen Markt für Zuckerwaren hinter Haribo und Storck, von Beginn an auf Wachstum. Das Unternehmen steigerte den Umsatz mit zweistelligen Raten - aus eigener Kraft, aber auch durch Übernahmen. Im Jahr 2000 kam Villosa mit den Marken Sallos und Hustelinchen zu Katjes. Später folgten Frigeo, bekannt durch die Ahoi-Brause, und Gletschereis. Mit dem Model Heidi Klum setzte Katjes auf eine Werbepartnerin, die damals erst am Anfang ihrer Karriere stand und dem Familienunternehmen viel Aufmerksamkeit bescherte.

Derweil absolvierte Bastian Fassin nach dem Studium erste berufliche Stationen, zunächst bei der Unternehmensberatung Roland Berger, später bei Kraft Jacobs Suchard. "Voraussetzung für einen Einstieg bei Katjes war, zunächst Erfahrungen außerhalb des Unternehmens zu sammeln", sagt der 36-Jährige. Denn ein Sohn, der von seinem Vater eine Firma übernehme, müsse mehr vorweisen als den gemeinsamen Familiennamen.

Leben außerhalb der Firma

Seit fünf Jahren teilen sich jetzt Fassin und Bachmüller die Aufgaben in der Geschäftsführung. Der Sohn des Firmengründers, dem inzwischen 60 Prozent der Anteile gehören, kümmert sich um Produktentwicklung, Qualitätssicherung, Marketing und das Geschäft im Ausland. Bachmüller verantwortet die Finanzen, die Produktion und den Absatz im Inland. Wer in strittigen Fragen das letzte Wort hat? "Das ist wie bei einem Küchenkabinett. Wir sprechen weitreichende Entscheidungen miteinander ab und beziehen dabei auch Klaus Fassin mit ein", sagt Bachmüller. Der Senior, noch mit 30 Prozent an Katjes beteiligt, hält sich aus dem operativen Geschäft aber raus. Er ist auch nicht Mitglied des Beirats. Der 77-Jährige hat es geschafft los zu lassen.

Das sei seinem Vater leichter gefallen als manch anderem Unternehmer, weil er immer auch ein Leben außerhalb der Firma gepflegt habe, erzählt der Sohn. Die Familie, Hobbies - auch das sei dem Senior wichtig gewesen. Zu Hause, erinnert sich der Sohn an die Kinder- und Jugendtage, sei nie viel über Katjes gesprochen worden. Bachmüller, Vater von vier Kindern im Alter von zwölf bis 22 Jahren, hält es für wichtig, dass Unternehmer den Nachwuchs zur Bescheidenheit erziehen und nicht "so viel auf deren Konto überweisen". "Sohn oder Tochter müssen wissen, dass sie keinen Anspruch haben, eine familieneigenes Unternehmen zu übernehmen, dass sie es sich erarbeiten müssen", erklärt er.

Gemeinsam haben Fassin und Bachmüller mit Katjes noch viel vor. Erst vor wenigen Wochen haben sie eine Beteiligung an Lamy Lutti, einem führenden belgisch-französischen Zuckerwarenunternehmen erworben. Weitere Akquisitionen sollen folgen. "Eine Krise ist für finanzstarke Unternehmen die beste Zeit zu kaufen", sagt Bachmüller. Aber Katjes habe die Ruhe zu warten, bis sich etwas Interessantes ergebe. "Wir kaufen nur eingeführte, substanzstarke Marken." Experimente, wie der Erwerb der Lizenz für Mövenpick-Schokolade vor ein paar Jahren, will das Unternehmen nicht mehr wagen. "Wir haben gelernt, dass das Schokoladenregal eine andere Liga ist und das Geschäft nach einem Jahr wieder abgegeben", so Bachmüller.

Streit mit Haribo

Von der Wirtschaftskrise merkt Katjes wenig, zumindest auf dem deutschen Markt, wo mehr als zwei Drittel des Umsatzes von zuletzt etwa 200 Millionen Euro erwirtschaftet wird. "Süßigkeiten gönnen sich die Verbraucher auch in konjunkturell schwierigen Zeiten", erklärt Fassin. Im Ausland, speziell in Osteuropa, spürt Katjes dagegen die Flaute.

Zudem bereitet den Managern wieder einmal eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten Haribo Sorgen. Vor ein paar Wachen hat das Hamburger Oberlandesgericht entschieden, dass der Mitbewerber die Bezeichnung "Yoghurt Gums" für seine Fruchtgummis mit Schaumzucker verwenden darf. Katjes fühlt sich kopiert und wird vor dem Bundesgerichtshof Revision einlegen. Auseinandersetzungen mit Haribo füllen bei den Hausjuristen mehrere Aktenordner und einige Regale. Seit 50 Jahren streiten die Konkurrenten immer wieder vor Gericht. Einen Gewinner kann Bachmüller dabei nicht ausmachen: "Die Hälfte der Prozesse haben wir gewonnen, die andere Hälfte Haribo."

In einem Punkt aber ist Katjes dem Mitbewerber aus Bonn überlegen: Das niederrheinische Unternehmen hat die Nachfolgefrage geklärt. Bei Haribo hält nach wie vor Gründersohn Hans Riegel die Zügel in der Hand. Im März ist er 86 Jahr geworden. Nachfolge ungeklärt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.169525
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.08.2009
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.