Süddeutsche Zeitung

Fahrverbote:Regierung prüft Nachrüstung alter Diesel

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Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Wie eine saubere Lösung im Dieselskandal aussieht? Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte da monatelang eine ziemlich klare Meinung. Eine gute Lösung waren in den Augen des Ministers Software-Updates und neue Diesel-Autos. Schlecht: Hardware-Nachrüstungen.

"Umweltpolitisch fragwürdig" seien die, reinste Geldverschwendung. "Da gibt es klare technische, rechtliche und finanzielle Vorbehalte", sagte Scheuer. Hinzu komme: Mehr Verbrauch, mehr Kohlendioxid- Hardwarenachrüstungen seien auch noch "schlecht für das Klima". So sah er das. Als der Minister am Freitag dann ein etwas wacklig gefilmtes Video ins Internet stellte, mussten seine Kritiker die Sequenz schon zwei mal ansehen, ehe sie ihren Ohren trauten.

Plötzlich kündigte Scheuer bereits für die nächsten Tage ein "Konzept" für Nachrüstungen von älteren Dieselautos an. Zwar vermied er es, den Begriff zu nennen. Um Fahrverbote zu vermeiden und die Luft in den Innenstädten zu verbessern, werde sein Haus sich nun "technische Gedanken machen, wie wir bestehende Fahrzeuge noch sauberer bekommen", sagte Scheuer in der Videobotschaft. "Technische Gedanken" - Eingeweihten war schnell klar, was das bedeutet.

Dem Umdenken ging ein Gespräch mit Merkel voraus

Die Regierung prüfe nun doch ein Konzept zur Nachrüstung von Euro 5-Diesel-Autos, hieß es am Freitag in Berlin. Die nachträglichen Einbauten sollen den Ausstoß schädlicher Stickoxide senken. Das Umdenken im Verkehrsministerium kam nicht ganz freiwillig.

Vorausgegangen war der Video-Botschaft am Donnerstag ein Gespräch des Ministers mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die hatte Scheuer im Streit mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) offenbar zum Einlenken gedrängt. SPD und Grüne drängen seit langem auf Eingriffe an der Hardware. Der Druck auf die Bundesregierung war in der vorigen Woche deutlich gewachsen. Nach Stuttgart, München und Hamburg verdonnerten auch in Hessen Richter die Stadt Frankfurt dazu, Fahrverbote vorzubereiten, um die Bürger angesichts überhöhter Stickoxid-Messwerte vor schmutziger Luft zu schützen.

Auch in der Union war danach der Druck auf die Regierung gewachsen, den Kurs zu ändern. Vor der wichtigen Landtagswahl in Hessen forderte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Hardware-Nachrüstungen auf Kosten der Auto-Industrie. Schon zu Wochenbeginn hatte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer dann auch in Berlin die Kehrtwende eingeleitet.

Nach dem Urteil zu Diesel-Fahrverboten in Frankfurt am Main sei man prinzipiell offen für Umbauten an älteren Autos. Das ist offenbar nun auch der zuständige Minister. Allerdings will er Nachrüstungen offenbar nicht gegen, sondern mit der Autoindustrie umsetzen.

Triumph für Umweltministerin

Man sei auf die Autoindustrie angewiesen, sagte Scheuer am Freitag. So sieht das auch Umweltministerin Schulze, die sich die Freude über den Triumph kaum verkneifen kann. "Die Industrie hat uns das Problem eingebrockt, und sie muss nun auch helfen, es zu lösen", sagte sie am Freitag. Als Umweltministerin gehe es ihr vor allem um die Luft in den Städten, die Nachrüstungen seien da nur Mittel zum Zweck. "Wenn man das ,technische Gedanken' nennt, ist das für mich auch okay." Die Kosten dafür sollen die Hersteller übernehmen.

Doch die lehnen Umbauten bislang ab. Und auch am Freitag klang die Industrie zurückhaltend. "Es ist richtig, dass die Bundesregierung daran arbeitet, die Stickoxidwerte in den Städten zu reduzieren, in denen die Jahresgrenzwerte noch überschritten werden, und damit Fahrverbote zu vermeiden", teilte der Branchenverband mit. "Das ist auch unser Interesse. Dazu braucht es schnelle Lösungen." Von Nachrüstungen wollte der Verband allerdings nicht reden. Kurzfristige Effekte ließen sich vor allem durch den Umstieg auf neue Modelle erzielen.

Ohnehin würde es eine Weile brauchen, bis eine Nachrüstung starten kann. Zwar gibt es für viele Autos schon technische Lösungen. Die aber müssten erst vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft und genehmigt werden. Das kann dauern. "Die Details", sagt Schulze, "werden wir jetzt diskutieren müssen."

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Quelle:
SZ vom 15.09.2018
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