Süddeutsche Zeitung

Europäische Zentralbank:EZB-Chef Draghi will kein Geld verschenken

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Mario Draghi wehrt sich gegen die drastische Kritik an seiner Nullzinspolitik aus Deutschland - und betont: "Wir gehorchen dem Gesetz".

Von Cerstin Gammelin und Markus Zydra, Frankfurt/Berlin

Mario Draghi war gut vorbereitet. Der EZB-Präsident wusste, dass Fragen zur Kritik aus Deutschland an seiner Geldpolitik kommen würde. "Wir müssen uns um die Preisstabilität in der ganzen Euro-Zone kümmern, nicht nur um die in Deutschland", sagte Draghi am Donnerstag im Anschluss an die EZB-Ratssitzung. "So ist es im Europäischen Recht fixiert, und wir gehorchen dem Gesetz."

Viele deutsche Politiker kritisieren die Nullzinspolitik der EZB scharf. Die Sparer würden enteignet, hieß es immer wieder. Die CSU meinte gar, der nächste EZB-Präsident müsse ein Deutscher sein. "Wir sind unabhängig und gehorchen nicht den Politikern", sagte Draghi. Er verwies darauf, dass auch die übrigen 24 Mitglieder im EZB-Rat bereit seien, diese Unabhängigkeit zu verteidigen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte am Mittwochabend erneut ein absehbares Ende der Niedrigzinspolitik gefordert. "Für Deutschland ist eine lange Phase niedriger oder negativer Zinsen keine vernünftige Situation", sagte er auf einer Veranstaltung des "Konvent für Deutschland". Durch das anhaltende Gelddrucken entstehe mehr Verunsicherung als dass es positive Auswirkungen habe. Er plädiere dafür, "dass die Notenbanken einen Weg heraus finden".

Schäuble gab aber auch zu, dass die EZB über ihre geldpolitischen Entscheidungen Versäumnisse der Regierungen ausgleichen müsse, die sich nicht dazu entschließen könnten, dringende Modernisierungen zu beginnen, um Unternehmen und Wachstum zu befördern. "Je mehr wir Strukturreformen zustande bringen und Wachstum dynamisieren, umso mehr befreien wir die Europäische Zentralbank aus ihrer Zwangslage", sagte Schäuble. Der Bundesfinanzminister hatte jüngst insinuiert, dass Draghis Nullzinspolitik das Aufkommen der rechtspopulistischen AfD begünstigt habe. "Herr Schäuble hat seine Worte präzisiert: Er hat gesagt - ich kann es nicht mehr genau wiedergeben- , dass er nicht gemeint habe, was er gesagt hat, oder, dass er nicht gesagt hat, was er meint. Wie auch immer", sagte Draghi. Das letzte Treffen mit Schäuble in Washington sei freundlich und fruchtbar gewesen.

Der EZB-Rat hat am Donnerstag die Leitzinsen nicht weiter abgesenkt. In den kommenden Monaten sollen die Maßnahmen, zu dem auch ein Anleiheankaufprogramm im Wert von 1,7 Billionen Euro gehört, das Wachstum und die Inflation in der Euro-Zone fördern. Draghi betonte, dass der EZB-Rat nicht plane, Geld direkt an die Bürger zu verschenken. Der EZB-Chef hatte die Idee des Helikoptergelds im März als sehr interessantes Konzept bezeichnet. "Wir haben niemals darüber diskutiert", sagte Draghi. Das Thema sei sehr komplex, da es rechtlich und operativ schwierig umsetzbar sei.

Draghi forderte die Regierungen der Euro-Staaten auf, mehr in die öffentliche Infrastruktur zu investieren und die Wirtschaftsgesetze zu reformieren. "Unsere Geldpolitik ist die einzige Politik, die in den letzten vier Jahren das Wachstum vorangetrieben hat", sagte Draghi. "Wenn die Staaten ihre Reformen gemacht hätten, dann würde unsere Geldpolitik schneller Wirkung erzielen."

Der EZB-Präsident versuchte die Bedenken der deutschen Sparer zu zerstreuen. "Die realen Zinserträge sind heute höher als vor 20 oder 30 Jahren", sagte Draghi. Er spielte damit auf Phasen an, in denen die Leitzinsen einerseits viel höher waren, andererseits aber die hohen Inflationsraten den realen Zinsertrag verringerten. Außerdem sei die EZB-Geldpolitik kein Sonderfall. "In den USA liegen die Zinsen schon sehr viel länger bei null Prozent."

Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Institutes, kritisierte die deutsche Aufregung zur Geldpolitik als überzogen. Es sei zwar richtig, dass Nullzinsen nicht zur deutschen Wirtschaft passten, "aber wir sind in einer Währungsunion und müssen Geldpolitik für alle Mitglieder machen."

Draghi machte deutlich, dass die Zinsen in der Euro-Zone noch sehr lange Zeit bei Null bleiben würden: "Die niedrigen Zinsen sind ein Symptom des geringen Wachstums. Höhere Zinsen gibt es nur, wenn wir höheres Wachstum und höhere Inflation bekommen."

Der EZB-Chef bat um Geduld. "Unsere Maßnahmen wirken. Sie sind effektiv. Gebt ihnen nur Zeit."

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SZ vom 22.04.2016
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