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EU-Gipfel:Merkel ködert Hollande mit Wachstumsfonds

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Die Kanzlerin macht dem französischen Präsidenten ein Angebot: Ein Solidaritätsfonds soll Wachstum in Krisenländern fördern. Allerdings will Merkel das mit Auflagen verknüpfen - und Hollande einen starken Haushalt für die Euro-Zone durchsetzen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Bundestag ein neues Instrument zur Lösung der Schuldenkrise in Europa vorgeschlagen: Ein Wachstumsfonds soll Krisenländern zeitlich befristet und projektbezogen Geld zur Verfügung stellen. Das Kapital dafür könne aus neuen Einnahmen durch die Finanztransaktionsteuer kommen, sagte Merkel. Davon sollen aber nur Länder profitieren, die Reformauflagen erfüllen.

Merkel sprach zwar im Bundestag in Berlin ( hier der Newsblog zur Regierungserklärung), doch ihre Worte schickte sie auch nach Brüssel. Sie deutete damit an, dass sie sich einen Schritt in Richtung Wachstumspolitik vorstellen könnte.

Den Fonds bezeichnete Merkel als ein mögliches "neues Element der Solidarität". Die Details ließ sie allerdings offen. Nicht alle Euro-Länder wollen eine Finanzmarktsteuer einführen. Sollen sie trotzdem Geld aus einem solchen Fonds bekommen? Merkel will die Länder im Gegenzug verpflichten, mehr für ihre Wettbewerbsfähigkeit zu tun. Wer kontrolliert diese Auflagen? Ein neuer starker EU-Kommissar, wie ihn Schäuble zuletzt ins Spiel gebracht hat?

Viele Fragen, die Merkel am Abend mit den anderen Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf der nächsten Krisensitzung erörtern wird. Im Fokus steht ihr Aufeinandertreffen mit Frankreichs Präsident François Hollande. Er hatte im SZ-Interview gefordert, verschuldeten Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien eine Wachstumsperspektive zu geben.

Das Interview erschien in mehreren Tageszeitungen in Europa genau am Tag des Gipfels. Hollande plädiert darin für eine Haushaltunion für die Euro-Staaten, zusätzlich zur Bankenunion und inklusive Euro-Bonds. Geld aus der Transaktionsteuer soll in diesen Haushalt fließen - und dann an die Mitgliedsstaaten.

Das kommt in Deutschland nicht gut an. Die Bundesregierung will den Eindruck vermeiden, dass die Bundesrepublik für die gesamte Euro-Zone haftet. Deswegen würde sie Schritte in diese Richtung lieber als "Fonds" bezeichnen, nicht als "Haushalt", verlautete aus Verhandlungskreisen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy arbeite an einem Kompromiss.

Die Opposition im Bundestag reagierte mit Kritik auf Merkels Vorschlag. Sie sehen Deutschland durch den Fonds auf dem Weg in die Schuldenunion. "Merkels neuer Fonds ist #Eurobond durch die Hintertür", twitterte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin. Die Idee der sogenannten Euro-Bonds sieht vor, dass die Währungsunion gemeinsame Anleihen ausgibt. Krisenländer würden von der guten Bonität Deutschlands profitieren, ihre Kreditkosten würden sinken.

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