Süddeutsche Zeitung

Entwicklerkonferenz WWDC:Was heute von Apple zu erwarten ist

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Ein Fernseher! Halt, nein, ein Auto! Oder doch nur ein größeres iPad?

Am Montag lautet die Antwort: nichts von allem. Apple, dieser firmengewordene Traum von Analysten und Zukunfts-Spekulanten, war selten so erwartbar wie in der Keynote seiner jährlichen World Wide Developer Conference (WWDC) in San Francisco.

Neue Versionen seiner Desktop- und Mobilbetriebssysteme OS X und iOS, dazu ein paar neue Funktionen und Developer-Baukästen. Die Wahl zwischen einem Frühlingsabend im Biergarten und einem zweieinhalbstündigen Produkt-Cheerleading von Apple-CEO Tim Cook scheint nicht besonders schwer. In San Francisco sind die Frühlingsabende allerdings nebelig.

Aber natürlich ist Apple das größte Unternehmen der Welt, und hinter überdrehten Marketing-Phrasen, gigantischen Zahlen-Kolonnen und einem erstaunlichen Mangel an weiblichen Managern auf der Bühne steckt die Frage, ob und wie die Firma das bleiben kann.

Der Sony-Chef vermiest Tim Cook die Überraschung

Die einfache Antwort lautet: weiter iPhones verkaufen. Doch das Apple-Ökosystem muss ständig auf dem neuesten Stand des Hypes gehalten werden, weshalb der Konzern sein Software-Angebot um Musik-Streaming erweitern wird, wie es Sony-Chef Doug Morris bereits am Wochenende ausplauderte: "Morgen wird es passieren", sagte er auf einer Podiumsdiskussion in Cannes. "Es wird ein großartiger Moment für unsere Branche werden." Über das Lob wird sich Tim Cook freuen - über die vorweggenommene Überraschung wohl eher ärgern.

Es kursieren bereits diverse Details über den Spotify- und Pandora-Konkurrenten: Apple Music soll ebenfalls etwa zehn Euro pro Monat kosten, von Künstlern und DJs kuratierte Playlists und Radiosender enthalten, aber im Gegensatz zu Spotify keine kostenlose, werbefinanzierte Variante bieten.

Wie sich Apple Music von Spotify unterscheiden könnte

Streaming ist im weiteren Sinne ein Update für iTunes, dessen Absatzzahlen unter dem Trend leiden, Musik nur noch abzuspielen, nicht zu kaufen. Nur: Stream ist Stream, wie will Apple sich unterscheiden? Tidal, die App des Rappers Jay-Z, blieb trotz besserer Soundqualität und angeblich künstlerfreundlichen Konditionen bislang erfolglos. Und auch iTunes Radio oder Apples soziales Musiknetzwerk Ping waren nicht die Lösung.

Mithilfe der Milliarden-Akquise der Kopfhörer- und Streaming-Firma Beats will Apple nun eine bessere Antwort geben. Das Projekt soll vor allem in den Händen von Beats-Gründer Jimmy Iovine und Nine-Inch-Nails-Frontmann Trent Reznor gelegen haben, die in der Musikbranche beide als kluge Macher bekannt sind. Und anders als für Spotify muss Apple mit Musikstreaming zunächst keine Unsummen verdienen, sondern nur dafür sorgen, dass der iTunes-Musikkatalog nicht verstaubt (immerhin stammt die Idee dahinter noch aus dem iPod-Zeitalter, die älteren Leser erinnern sich).

Da war doch noch so eine Uhr ...

Seit einigen Wochen gehört auch die Apple Watch zum Ökosystem des Konzerns. Zumindest in San Francisco lauern an jeder Ecke Tech-Hipster, die auffällig-unauffällig auf ihr neues Gerät am Handgelenk blicken, das bei Kritikern eher mäßig abschneidet. Wie es außerhalb der Blase aussieht, ist eine spannende Frage: Ob und welche Zahlen Tim Cook verkündet, dürfte die Apple-Auguren zu interpretatorischen Höchstleistungen herausfordern. Entwickler sind dagegen eher an dem erwarteten neuen Developer-Werkzeugkasten für die Uhr interessiert.

Nutzer, die Apples Produkte bereits länger verwenden, und das aus Gründen wie Rechenleistung und Beständigkeit, haben ganz andere Wünsche: Die Software des Mac-Betriebssystems OS X hat in puncto Stabilität, reibungsloser Bedienbarkeit und Funktionslogik in den vergangenen Jahren stark nachgelassen, was auch mit dem jährlichen Update-Zyklus zu tun hat.

Die Kernkundschaft hofft deshalb - allem Anschein nach nicht vergebens - auf eine neue OS-X-Version, die genannte Qualitäten wieder stärker betont, statt bunte Neuerungen einer fehlerfreien Software vorzuziehen.

Für iOS 9 sind ebenfalls keine größeren Sprünge zu erwarten, dem iPhone 6 wird im Herbst wohl traditionell ein leicht modifiziertes 6s folgen. Eine Aufwertung von Siri (in Kombination mit der Suchfunktion Spotlight) als persönlicher Helfer, der sich wie die Konkurrenz von Google Now an das Verhalten anpasst, ergäbe Sinn - und wäre ein weiteres Signal dafür, wie ähnlich sich Android und iOS in Richtung Assistenz-System entwickeln.

Innovationen? Fehlanzeige!

Der New York Times zufolge hätte Apple auch gerne die nächste Version von Apple TV (letztes Update: 2011) vorgestellt, angesichts einer Flut von TV-Boxen (gerade auf dem US-Markt) ein fälliger Schritt. Doch tatsächlich kann es sich Apple eher leisten, auf ein halbfertiges Produkt zu verzichten und damit viele zu enttäuschen, die auf das "next big thing" warten, als die Kundschaft qualitativ zu verärgern.

Und das Apple-Auto? Bislang unbestätigter Tratsch. Den eigenen Fernseher, von dem seit Jahren die Rede ist, hat Tim Cook angeblich auch längst zu den Akten gelegt. Vielleicht ist die Firma aus Cupertino nicht nur nach Montagabend, sondern auch auf absehbare Zeit vor allem eines: der iPhone-Konzern, der mit Computern inklusive des Ökosystems drumherum sein Geld verdient und gerade mit elektronischen Mode-Accessoires sein Geschäft erweitert. Das klingt zwar nicht sonderlich spektakulär - dürfte aber reichen, um das wertvollste Unternehmen der Welt zu bleiben. Keine ganz triviale Leistung.

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