Süddeutsche Zeitung

Hilfen für Autofahrer:Die Pendlerpauschale darf jetzt nicht erhöht werden

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Kaum wird das Benzin teurer, fordern Politiker Hilfen für Autofahrer - und gefährden damit das Ziel der Energiewende. Dabei gäbe es einen viel besseren Weg.

Kommentar von Marc Beise

Man reibt sich die Augen und wundert sich. Haben wir nicht gerade einen Wahlkampf erlebt, bei dem die Notwendigkeit der Klimawende parteiübergreifend betont wurde? Jetzt wird unter mehrheitlicher Zustimmung der Bevölkerung eine sogenannte "Klimakoalition" aus SPD, Grünen und FDP geschmiedet. Landauf, landab ist anerkannt, dass dieses Jahrzehnt die letzte Chance bietet, die von der Wissenschaft angemahnten Klimaziele zumindest nicht aus den Augen zu verlieren. Auch in der Industrie ist längst die Erkenntnis angekommen, dass Wirtschaften in Zukunft nicht mehr gegen die Natur, sondern mit ihr gehen muss. Und sogar die Autoindustrie hat größtenteils erkannt, dass die CO₂-Schleudern von der Straße müssen. Und dann schwillt, kaum dass der Benzinpreis klettert, reflexartig und wie schon so oft der Ruf nach Hilfen für die Fahrer dieser Autos an. Wie passt das zusammen?

An den Tankstellen klettern die Preise, der Liter Diesel liegt im Schnitt bei 1,55 Euro, so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und schon kann Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) nicht mehr an sich halten und fordert Entlastungen für Pendler, und natürlich hat sich auch der Hoffentlich-nie-wieder-Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) bereits so eingelassen. Klimaschutz müsse auch für Menschen mit geringerem Einkommen bezahlbar bleiben, heißt es dann, Mobilität dürfe kein Luxus werden, gerade auf dem Land gebe es zum Auto mit Verbrennungsmotor bislang kaum Alternativen.

Aber halt: Geht es nicht gerade um diese Alternativen? Und muss nicht eben deshalb der Verbrenner finanziell unattraktiv gemacht werden? Wenn der Staat jetzt gleich wieder für Ausgleich sorgen soll, sobald es wehtut, ist der Anreiz weg, auf andere Motoren umzusteigen.

Richtig ist, dass höhere Energiepreise Bürger und Unternehmen zusätzlich belasten: beim Autofahren, beim Reisen, beim Heizen - aber so muss das eben auch sein, wenn auf klimaneutral umgesteuert werden soll. Das ist die Sollbruchstelle der neuen Klima-Einigkeit: Wenn die Ökowende teuer wird, wenn sie schmerzhaft wird, wenn das so sein muss, damit es funktioniert - dann gerät dieses Ziel in Konflikt mit dem Sozialziel, dann bricht die Gesellschaft noch mehr auseinander in zwei Teile: die, die sich die Energiewende leisten können, und die, die sie sich nicht leisten können.

Das Sondierungspapier der künftigen Koalition hat diesen Zielkonflikt bisher eher zulasten der sozial Schwachen entschieden, weil es außer dem Wahlversprechen Nummer eins des SPD-Kanzlers in spe - der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro - kaum soziale Maßnahmen definiert. Es ist erkennbar getragen von den Interessen der besser verdienenden Mittelschicht, und das nicht von ungefähr: Hier haben die Grünen viele ihrer Wähler und erst recht die FDP.

Es ist offensichtlich, dass die Besserverdienenden höhere Lebenshaltungskosten leichter kompensieren können als diejenigen, die jeden Euro umdrehen müssen - was sich gerade am Beispiel des Benzinpreises sehr gut veranschaulichen lässt. Weil es aber nicht nur ums Auto geht, sondern zum Beispiel auch ums Reisen oder Heizen, braucht die neue Koalition einen Ausgleichsmechanismus. Dieser darf dann aber nicht die Klima- oder Wachstumsziele gefährden. Deshalb hat das von den Grünen geforderte "Energiegeld" Charme, also eine Pro-Kopf-Erstattung des Staates an die Bürger zum Ausgleich für die Kosten der Klimawende.

Auch das muss am Ende aber bezahlt werden, und weil die neue Koalition auf Druck der FDP mit guten Gründen, nämlich um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes nicht zu gefährden, auf Steuerhöhungen verzichten will, kann der Weg vorübergehend nur über eine weiterhin großzügige Schuldenaufnahme kommen.

Noch mal: Für den guten Zweck der Energiewende darf Deutschland im Moment und vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase weitere Schulden machen, eben bis die Ökowende greift und sich neue Verkehrsformen und Verhaltensweisen etabliert haben. Spätestens dann aber müssen die Schulden wieder runter. Aber das ist dann eine andere Erzählung.

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