Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Deutsche Klimaziele "erheblich gefährdet"

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Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Bundesregierung läuft Gefahr, ihre Klimaziele für 2020 zu verfehlen. Das Ziel, bis dahin 40 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen, sei "erheblich gefährdet", heißt es in einer Stellungnahme von Regierungsexperten zum Stand der Energiewende. Dazu müsse "das Tempo der Emissionsminderung in den wenigen Jahren bis 2020 mindestens verdreifacht werden", schreibt die vierköpfige Kommission, die im Auftrag der Bundesregierung die Energiewende überprüft. Am Mittwoch befasste sich das Bundeskabinett mit ihrem Bericht.

Das Klimaziel, gemessen an 1990, ist seit Jahren offizielle Regierungslinie. Erst im vorigen Dezember hatte die Bundesregierung Eckpunkte für einen "Klimaaktionsplan" festgelegt, um die 40-Prozent-Marke nicht zu verfehlen. Dazu zählten neue Programme für die Sanierung von Gebäuden und Anreize für die Industrie, sorgsamer mit Energie umzugehen. Auch alte Kohlekraftwerke sollten ihre klimaschädlichen Emissionen drosseln. Nach Auffassung der Experten reichen die bisherigen Initiativen aber nicht aus. "Es gibt da immer noch eine ganz beachtliche Lücke", sagte der Münsteraner Ökonom Andreas Löschel. Er sitzt der Kommission vor. Die derzeit günstigen Preise für Kohle und Öl verschärften die Lage zusätzlich. "Wenn man das alles anschaut, wird es schwierig, das Ziel für 2020 noch zu erreichen."

Für die Bundesregierung kommt diese Nachricht zur Unzeit. Wenn in gut zehn Tagen die Klimakonferenz in Paris beginnt, will Deutschland auf eine lupenreine Bilanz verweisen können. "Kurz vor der Konferenz ist das ein Armutszeugnis für die sogenannte Klimakanzlerin", sagte Hubert Weiger, Chef des Umweltverbandes BUND. Die Bundesregierung selbst dagegen konstatierte am Mittwoch "gute Fortschritte" bei ihrem Aktionsplan - basierend auf einem Bericht des Bundesumweltministeriums. Die Botschaft für die Klimakonferenz sei klar, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). "Deutschland wird sein Klimaschutzziel erreichen."

Zu optimistische Szenarien

Dagegen warnte Löschel, die Regierung gehe zu oft von optimistischen Szenarien aus. Im Plan liege vor allem der Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2020 könne das Ziel, 35 Prozent des Stroms aus grünen Quellen zu erzeugen, "sogar deutlich übertroffen werden", heißt es in dem Bericht.

Derweil gerät die klimaschädliche Kohle international stärker unter Druck. So kündigte die britische Regierung an, sie wolle bis 2025 alle Kohlekraftwerke schließen. "Um dem Rest der Welt ein Beispiel zu geben" ziele Großbritannien auf den Bereich, der die größten Einsparungen verspreche, sagte Energieministerin Amber Rudd in London.

Dies sei die Kohle. Zuvor hatte die Industriestaaten-Organisation OECD sich nach langen Debatten auf neue Regeln der Exportförderung bei Kohlekraftwerken verständigt. So soll es künftig für die Ausfuhr von Großkraftwerken nur noch in Ausnahmefällen Hilfen etwa mit Exportkrediten geben. Die Förderung werde so stärker am Klimaschutz ausgerichtet.

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Quelle:
SZ vom 19.11.2015
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