Süddeutsche Zeitung

Energiekonzern:Warum Eon seine Atomkraftwerke behält

Lesezeit: 2 min

Analyse von Michael Bauchmüller, Berlin

Strategieschwenk bei Eon

Der Düsseldorfer Stromkonzern Eon behält seine Atomkraftwerke. Anders als geplant würden sie nicht in seine neue Tochterfirma Uniper ausgegliedert, kündigte Eon-Chef Johannes Teyssen am Donnerstag an. Hintergrund seien Gesetzespläne des Bundes, nach denen Eon dauerhaft für die Abwicklung seiner Atomkraftwerke hätte haften müssen - etwa für den Fall, dass Uniper die milliardenschweren Kosten für Rückbau und Entsorgung der Nuklearanlagen nicht stemmen kann. Eon hat dafür Rückstellungen in Höhe von 16,6 Milliarden Euro gebildet. Sie sollten ursprünglich mitsamt der Kraftwerke in die neue Tochterfirma Uniper wandern.

Appell an staatliche Verantwortung

Mit dem neuen Gesetz hätte es eine "Ewigkeitshaftung ohne operativen Einfluss" gegeben, sagte Teyssen. Dies sei den Aktionären nicht zuzumuten. Der Kurs der Eon-Aktie erreichte am Donnerstag dennoch ein Rekordtief. Erst vorige Woche war ein Gesetzentwurf bekannt geworden, der die Stromkonzerne auf Dauer für ihre Nukleartöchter haften ließe; selbst dann, wenn sich die Mutterkonzerne längst vom Atomgeschäft getrennt haben. Ohne das neue Gesetz hätte sich Eon nach fünf Jahren aus der Haftung verabschieden können, allein Uniper wäre dann für die Atomabwicklung zuständig gewesen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) umschrieb das Gesetz deshalb mit "Eltern haften für ihre Kinder".

Eon will sich damit aber auch nach dem Strategiewechsel nicht abfinden. Dieser Titel sei "vom Kern her falsch", sagte Teyssen. Die "tatsächlichen Geburtsväter" seien der Staat und einzelne Länder gewesen. "Für die Kernenergie gibt es und gab es von Anbeginn eine gemeinsame Verantwortung von Staat und Unternehmen", sagte Teyssen. Gemeinsam seien Staat und Unternehmen in die Atomenergie eingestiegen. "Jetzt ist es ihre gemeinsame Verantwortung, die Nutzung geordnet zu beenden."

Wunsch nach Atom-Stiftung

Was das konkret bedeuten soll, ließ Teyssen offen. Seit längerem plädiert die Branche für eine Stiftung, in der die Atomkraftwerke aufgehen könnten. Auch die Rückstellungen, die teils in Firmenbeteiligungen, teils in Finanzanlagen stecken, könnten in eine solche Stiftung einfließen. Für eventuelle Mehrkosten wollen die Unternehmen dann aber nicht aufkommen. Noch ist völlig unklar, ob die Rückstellungen am Ende reichen werden, um den Abriss von Reaktoren und den Bau eines Endlagers zu finanzieren. Insgesamt 38 Milliarden Euro stehen dafür in den Bilanzen der vier Stromkonzerne.

Energiekonzerne im Stresstest

Derzeit unterzieht das Wirtschaftsministerium die Konzerne einem "Stresstest", um Wert und Verfügbarkeit der Rückstellungen zu klären. Er soll bis Ende des Monats abgeschlossen sein. Danach soll eine Kommission darüber befinden, wie sich die Mittel dauerhaft sichern lassen. Auch ein Fonds ist im Gespräch - mit einer Nachschusspflicht, sollte das Geld nicht reichen. Derweil vermeldet Eon einen "Wertberichtigungsbedarf im höheren einstelligen Milliardenbereich". Grund seien gesunkene Rohstoff- und Energiepreise.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2642411
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.