Süddeutsche Zeitung

Davos:Wie es mit der Weltwirtschaft weitergeht

Lesezeit: 3 min

2023 wird wohl "weniger schlimm" als befürchtet, sagt IWF-Chefin Kristalina Georgiewa - und hat gute Nachrichten für Deutschland. Welche Krisen bleiben, welche kommen könnten und was dagegen getan werden muss.

Von Vivien Timmler, Davos

Die Weltwirtschaft ist in keiner guten Verfassung, so viel steht fest. Und doch sind in Davos alle einig, dass das Jahr 2023 wohl weniger schlimm wird als befürchtet. Erleichterung macht sich breit. "Hyperpopulisten haben Wahlen verloren. Europa ist nicht eingefroren. Es ist keine Rezession gekommen. China hat seine Politik angepasst. Und die Inflation verlangsamt sich", sagt Ökonom und Harvard-Professor Lawrence Summers beim großen Ausblick für die Weltwirtschaft zum Abschluss des Weltwirtschaftsforums. All das seien gute Zeichen, dass das anstehende Jahr für die Konjunktur nicht so schlimm werde wie befürchtet.

Das sieht auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) Kristalina Georgiewa so. Trotzdem mahnt sie zur Vorsicht. Zwar sei die Lage "weniger schlimm, als wir vor ein paar Wochen erwartet haben", sagt Georgiewa. "Aber weniger schlimm heißt nicht gut." Für 2023 prognostiziert der IWF für die Weltwirtschaft ein Wachstum von 2,7 Prozent. "Das ist nicht fabelhaft", sagt Georgiewa. Die Welt müsse nun aufpassen, dass die konjunkturellen Einschätzungen nicht von "zu pessimistisch auf zu optimistisch" umschlügen.

Für Deutschland hingegen ist die IWF-Chefin sehr optimistisch - und lässt auf der Bühne überraschend eine Erhöhung der Prognose für das deutsche Bruttoinlandsprodukt durchblicken. Es sei durchaus möglich, dass der IWF die Prognose auf ein Wachstum von bis zu 0,5 Prozent anheben werde; im Oktober hatte er noch ein Minus von 0,3 Prozent vorhergesagt.

"In der Klimakrise brauchen wir alle Sneaker."

Doch - und auch daraus machen die Notenbanker und Politiker in Davos keinen Hehl - es gibt auch Risiken: offensichtliche und weniger offensichtliche. Zu Ersteren gehören der Ukraine-Krieg, die Corona-Nachwehen, die China-Unsicherheiten und die Inflations-Befürchtungen. Dinge, die schon in den vergangenen zwölf Monaten Politik und Wirtschaft beschäftigt haben, und die das auch 2023 tun werden. "2022 war ein seltsames, seltsames Jahr", sagt die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde. Die Welt bewege sich gerade aus dem "Verteidigungsmodus" in den "Wettbewerbsmodus".

Tatsächlich ist "Wettbewerb" genau das richtige Stichwort, wenn es um die etwas weniger offensichtlichen Risiken für 2023 geht. Joe Biden hat mit seinem sogenannten Inflation Reduction Act einen Wettlauf ausgelöst um die Investitionen der Konzerne in grüne Technologien. Dass es diese Investitionen in großem Stil braucht, ist Konsens. Es brauche jedoch einen gesunden Wettbewerb und keinen gegeneinander, betont Ökonom Summers. "Es darf nicht darum gehen, andere zu Fall zu bringen", sagt er, "es braucht einen Wettstreit um die besten grünen Technologien."

Man dürfe auf keinen Fall zulassen, dass sich der Subventionswettstreit zu einem Handelskrieg auswachse, pflichtet ihm der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bei. Auch müsse man aufpassen, dass die Welt über derartige Handelsfragen nicht noch weiter zersplittere. "Wir sind in den vergangenen drei Jahren in eine neue Ära der Globalisierung eingetreten", sagt Le Maire, "und zwar von einer marktgetriebenen zu einer politisch-machtgetriebenen Globalisierung."

Le Maire wirbt massiv für grüne Investitionen in Europa - fügt aber dann direkt an, um nicht den Eindruck einer "Europa First"-Einstellung zu erwecken: "Es geht nicht um China First, es geht nicht um USA First und es geht auch nicht um Europa First. Es muss Klima First heißen."

Was IWF-Chefin Kristalina Georgiewa zu ihrer größten Sorge für die Weltwirtschaft im kommenden Jahr führt: Bei all den Investitionen und dem Subventionswettstreit zwischen Europa und den USA dürfe man auf keinen Fall den Fehler machen, die Schwellenländer zu vergessen. "Wenn wir nur die industrialisierte Welt super bekommen und nicht die Schwellenländer, werden wir alle gekocht", sagt sie.

Und dann erzählt sie noch eine kleine Geschichte: Zwei Männer werden im Wald von einem Bären verfolgt. Plötzlich holt der eine Sneaker aus seinem Rucksack. Der andere fragt ihn, warum er das tue, ob er wirklich glaube, mit Sneakern schneller zu sein als der Bär. Nein, antwortet dieser, aber es gehe auch nicht darum, schneller zu sein als der Bär. Es gehe darum, schneller zu sein als der Freund. "In der Klimakrise brauchen wir alle Sneaker", sagt Georgiewa.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5736017
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.