Süddeutsche Zeitung

Deutsche Filmindustrie:Das große Elend

Lesezeit: 2 min

Bildstörung: Die deutschen Filmproduzenten haben ein hässliches Jahr hinter sich gebracht. Unter den 20 meistgesehenen Titeln in den Kinos fand sich nur ein deutscher Streifen.

Caspar Busse

Glücksmomente und Katastrophen liegen oft nah beieinander, besonders in Kinofilmen. Wie sich so etwas anfühlt, muss jetzt auch die deutsche Kinobranche erfahren. 2009 war ein Ausnahmejahr für den Film gewesen: Mitten in der Wirtschaftskrise stieg die Zahl der Kinobesucher in Deutschland um mehr als 15 Prozent. Besonders erfolgreich waren deutsche Produktionen wie "Wickie und die starken Männer", "Zweiohrküken" oder "Die Päpstin". "Eindeutig ein guter Jahrgang", sagte vor einem Jahr Bernhard Burgener, Chef von Constantin Film, dem Marktführer bei Kinoproduktionen in Deutschland.

Umso trostloser fiel das vergangene Jahr aus. Nach den Zahlen des Marktforschungsinstituts Rentrak ging die Zahl der Kinobesucher 2010 um 17,4 Prozent auf nur noch 119 Millionen zurück. Einen Tiefpunkt erreichte nach dem Rekord 2009 der deutsche Film: Nur noch 18,4 Millionen Zuschauer wollten eine deutsche Produktion sehen, mehr als die Hälfte weniger als im Vorjahr.

Unter den 20 meistgesehenen Kinofilmen in Deutschland war 2010 nur noch ein einziger deutscher: der Kinderstreifen "Konferenz der Tiere" auf Platz 20. Vor allem amerikanische Filme feierten ein Comeback. Angeführt wird die Hitliste auch in Deutschland vom weltweit teuersten und bisher erfolgreichsten Film "Avatar" (beinahe acht Millionen Zuschauer), gefolgt von "Harry Potter". Der Marktanteil deutscher Filme hat sich auf gut 13 Prozent halbiert.

"Darf man nicht überbewerten"

Heute übt sich Constantin-Chef Burgener in Schadensbegrenzung. "Das darf man nicht überbewerten. Es geht auf und ab," sagt er. Erfolgreiche Kinofilme würden sich einfach nicht an Geschäftsjahre halten. Und er sieht auch positive Tendenzen: "In Deutschland ist die Zahl der Kinobesucher zurückgegangen. Weltweit steigen aber Zuschauerzahlen und Umsatz." In den Vereinigten Staaten beispielsweise läuft es nach wie vor gut. Den deutschen Produzenten fehlte es dagegen an Kassenschlagern.

Dazu kam die Fußball-Weltmeisterschaft, da saßen die Menschen vor dem Fernseher und gingen nicht ins Kino. "Wir leben in einer Branche mit einem sich ständig ändernden Produkt", meint Burgener. Kein Wunder, dass die Kinoindustrie schon länger vehemente Ausschläge nach oben und unten verzeichnet. Und der Erfolg ist mehr denn je unkalkulierbar. Der aufwendig produzierte Constantin-Film "Jerry Cotton" etwa floppte, die vergleichsweise billige Produktion "Vincent will meer" über einen Jungen mit Tourette-Syndrom erwies sich dagegen als Überraschungserfolg. Auch Filme, die international großen Zuspruch fanden, wie "Iron Man", funktionierten 2010 in Deutschland nicht, dagegen aber erstaunlich viele Familienfilme aus Hollywood.

Constantin-Vorstand Martin Moszkowicz sieht im Jahr 2010 nur "einen Ausreißer nach unten". "Ich gehe davon aus, dass 2011 auch für uns ein gutes Jahr wird. Wir haben große Filme am Start." Dabei geht Constantin auf Nummer sicher und setzt auf Bewährtes. Die Fortsetzung "Wickie auf großer Fahrt" etwa oder "Die drei Musketiere" sollen in diesem Jahr für Constantin zum Erfolg werden. Ohnehin sind Fortsetzungen von Kassenschlagern beliebt, weil sie fast immer eine sichere Bank sind. Das kritisierte zuletzt sogar "Avatar"-Regisseur James Cameron, der deshalb glaubt: "Wir haben eine Story-Krise."

Vergleichsweise moderat fällt noch das Minus beim Umsatz aus, So ging der Umsatz der Filmproduzenten in Deutschland um 8,9 Prozent auf 880 Millionen Euro zurück. Das liegt vor allem an der zunehmenden Zahl von 3-D-Filmen, der Eintritt kostet die Kinobesucher deutlich mehr. Und hier sieht die Branche Möglichkeiten. Die Einnahmen sind höher, bei Produktionskosten für 3-D-Filme, die geschätzt etwa zehn Prozent teurer sind.

Der Einbruch macht sich auch in den Zahlen von Constantin Film bemerkbar. "Constantin Film hat 2010 die interne Planung übertroffen. Deshalb sind wir mit dem Geschäftsjahr 2010 trotz allem zufrieden", beteuerte Burgener zwar. 2009 lag der Umsatz noch bei 251 Millionen Euro. 2010 dürfte er nach Branchenschätzungen auf 200 bis 220 Millionen Euro gesunken sein. Und der Gewinn könnte um bis zu 45 Prozent zurückgegangen sein, heißt es. Die Filmfirma gehört zum börsennotierten Medienunternehmen Constantin Medien, an dem Leo Kirch beteiligt ist. Und der kennt sich mit dem Auf und Ab der Medienbranche bestens aus.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1046683
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15./16.01.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.