Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank und VW:Die deutschen Konzerne sind keine Opfer der USA

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Wer in VW und Deutscher Bank nur Spielbälle aggressiver Standortpolitiker sieht, liegt falsch. Die Unternehmen sind selbst schuld am harten Vorgehen der Amerikaner.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Aus der Ferne betrachtet sieht die Sache wohl wirklich ganz einfach aus. Da gibt es ein Land, das die Welt mit exzellenten Produkten beliefert und damit von Erfolg zu Erfolg eilt. Und da gibt es alle übrigen, die nicht mithalten können und nun versuchen, den Klassenprimus auf anderem Wege auszubremsen. Die harte Gangart der US-Behörden gegen VW und nun auch die Deutsche Bank scheint das zu bestätigen: Hier läuft ein Wirtschaftskrieg gegen den Exportweltmeister, und wer das bestreitet, ist entweder naiv oder "Volksverräter".

Richtig ist, dass aus dem Wettstreit global tätiger Konzerne um Marktanteile zunehmend eine Rivalität unter Ländern geworden ist. Deutschland gegen den Rest der Euro-Zone, die USA gegen die EU, China gegen alle. Der politische Ton ist rauer, der mediale nationalistischer geworden, die Wiedereinführung von Zöllen ist plötzlich ein Wahlkampfhit und die exportfreundliche Abwertung der eigenen Währung erklärtes Ziel der Geldpolitik.

Beide Konzerne haben in großem Stil Kunden betrogen

Viele Staaten suchen in einer von Krisen und technologischen Umbrüchen gezeichneten Welt verzweifelt nach einem Wachstumsmodell - da gerät der gern belehrend auftretende Exportchampion, der seine Mitverantwortung für die immensen weltwirtschaftlichen Ungleichgewichte standhaft leugnet, leicht in die Rolle des Buhmanns. Durchaus denkbar also, dass US-Behörden bei einem Fehlverhalten deutscher Firmen tatsächlich weniger Scheu vor harten Strafen haben als bei vergleichbaren Fällen im Inland.

Und doch: Wer in VW und Deutscher Bank nur Spielbälle aggressiver Standortpolitiker sieht, die in Schauprozessen für den Erfolg der deutschen Volkswirtschaft büßen müssen, der verwechselt Täter und Opfer, Ursache und Wirkung. Beide Konzerne haben in großem Stil Kunden betrogen, Behörden getäuscht und Wettbewerber übers Ohr gehauen. Das muss hart bestraft werden - gerade im Fall der Deutschen Bank, denn bei ihr handelt es sich um eine mehrfach vorbestrafte Wiederholungstäterin.

Die Konzerne hätten sich an die Regeln halten müssen

Mag sein, dass die Bußen, die in den USA verhängt werden, generell zu hoch sind. Der Eindruck entsteht jedoch auch deshalb, weil umgekehrt die EU kriminellen Konzernen gegenüber viel zu handzahm auftritt. In den USA dagegen haben auch heimische Firmen schon zweistellige Milliardenstrafen zahlen müssen, wie sie nun VW und Deutscher Bank drohen. Nicht übersehen werden darf auch, dass die Summe im Fall Volkswagen nicht etwa von der Regierung festgelegt, sondern vor einem unabhängigen Gericht ausgehandelt wurde. Und noch ein simpler Fakt spricht gegen den Verdacht, dass die US-Politik hier gezielt Konkurrenten heimischer Anbieter aus dem Weg räumt: So hell die Namen beider Unternehmen in Deutschland auch strahlen mögen - so unbedeutend sind sie in Amerika. Unter den Autoverkäufern des Landes liegt VW gerade einmal auf Platz acht, die Deutsche Bank schafft es unter den größten Geldhäusern nicht einmal in die Top 30.

Tatsache ist: Hätten sich beide Traditionskonzerne an die Regeln gehalten, hätten sie auf Lug und Trug, List und Tücke als Mittel der Geschäftspolitik verzichtet, hätten die amerikanischen Behörden gar keine Möglichkeit gehabt, sie so hart anzupacken. Volkswagen und die Deutsche Bank, zwei Ikonen der deutschen Wirtschaft, sie sind alles - aber keine Opfer.

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Quelle:
SZ vom 17.09.2016
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