Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank:Schicksalstage für Cryan

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Die Aktie des Geldhauses bricht um sieben Prozent ein. In der Bank fragen sich viele, wie lange sich der Chef noch hält.

Von Stephan Radomsky und Meike Schreiber, Frankfurt/München

Es läuft einfach nicht für John Cryan. Drei verlustreiche Jahre haben die Deutsche Bank und ihr Chef nun hinter sich, immer neue Skandale, der Aktienkurs des einst so stolzen Instituts will sich nicht recht erholen. Wenigstens könne es jetzt aber nur noch bergauf gehen, verbreiteten Cryan und sein Team zuletzt immer wieder. Sie haben sich wohl getäuscht: Am Mittwoch rutschte der Kurs der Deutschen Bank zwischenzeitlich um fast sieben Prozent ab, die Aktie war damit so billig wie in der letzten großen Krise des Instituts Ende 2016.

Grund für die heftigen Verluste waren Äußerungen von Finanzvorstand James von Moltke: Er rechne im ersten Quartal mit Belastungen von 450 Millionen Euro im Investmentbanking, sagte er am Mittwoch in London - eine enorme Summe. Schuld seien der starke Euro und höhere Refinanzierungskosten. Dadurch sinken quasi automatisch die Investmentbanking-Einnahmen in Dollar.

Schon seit Wochen ist man in der Deutschen Bank und ihrem Umfeld extrem angespannt. Alles wartet auf die Zahlen fürs erste Quartal, die Ende April vorgelegt werden. Sie könnten darüber entscheiden, ob Cryan seinen Job als Bankchef behalten darf oder die mächtigen Großaktionäre aus China, Katar und den USA die Geduld verlieren. Drei Jahre in Folge hat die Deutsche Bank Verlust gemacht, die Anteilseigner gingen deshalb zuletzt leer aus. An die Mitarbeiter aber zahlte das Institut allein für das vergangene Jahr Boni von insgesamt 2,3 Milliarden Euro aus - zusammen mit dem Versprechen, man werde 2018 wieder "einen Nettogewinn und eine wettbewerbsfähige Ausschüttung zu erreichen".

Gute Zahlen im ersten Quartal wären da Pflicht, zumal Investmentbanken von Januar bis März rund ein Drittel ihrer Jahreseinnahmen erwirtschaften. Zudem erwarten die Anteilseigner der Deutschen Bank noch vor der Hauptversammlung im Mai Fortschritte. Die schlechten Nachrichten Moltkes kommen da zur Unzeit.

"Mein Eindruck ist, der Showdown wird eingeleitet", sagte ein hochrangiger Bank-Insider über Cryans Zukunft. Seit der Brite im Sommer 2015 angetreten ist, hat er zwar einiges erreicht, der Befreiungsschlag aber ist ihm nicht gelungen. Die Bank ist nach wie vor in einem Geschäftsmodell gefangen, das nicht funktioniert. Zwar sind die großen Rechtsfälle abgearbeitet, das Kapital gestärkt, Stellen abgebaut und die Integration der Postbank sowie der Teilbörsengang des Vermögensverwalters DWS auf dem Weg. Allerdings gehen im Handelsgeschäft die Erträge noch immer schneller zurück, als die Kosten sinken. Das liegt nur zum Teil an der zwischenzeitlichen Flaute im Handel. Es sind auch viele Kunden zur Konkurrenz gewechselt. Selbst im Geschäft mit Fusionen und Übernahmen in Deutschland hapert es.

In der Rangliste der Fusionsberater in Deutschland findet sich das Institut auf Platz vier, zumindest sobald offiziell bestätigt wird, dass die Bank die RWE-Ökostromtochter Innogy bei der Übernahme durch Eon berät. Ohne dieses Mandat wäre man noch nicht mal unter den besten fünfzehn. Auch dass die Bank nun beim Teilverkauf der DWS Zugeständnisse machen muss, hebt die Stimmung im Haus nicht gerade. Die Papiere des Vermögensverwalters sollen zum Börsenstart am Freitag voraussichtlich 32 bis 33 Euro kosten. Die profitabelste Sparte der Bank würde damit mit 6,4 bis 6,6 Milliarden Euro bewertet, nachdem im Februar noch eine Summe von bis zu acht Milliarden Euro im Raum stand. Zumindest aber würde der Bank damit eine Abschreibung auf die DWS erspart bleiben. Sie stand Ende Dezember mit 6,37 Milliarden Euro in den Büchern.

Was Cryan derzeit schützt, ist allenfalls der Mangel an Alternativen. Einen geeigneten neuen Chef von außen wird Aufsichtsratschef Paul Achleitner nur schwer finden. Zumindest dürften sich nur wenige Spitzenbanker die Sanierung der Bank zumuten wollen. Die beiden Vize-Chefs Marcus Schenck und Christian Sewing gelten derweil als noch nicht tauglich für die Spitze. Zudem würde ein weiterer Chefwechsel die Frage aufwerfen, ob auch Achleitner noch der richtige ist als Chef des Aufsichtsrats.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2018
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