Süddeutsche Zeitung

Deutsche-Bank-Prozess in München:Humor in einer ernsten Sache

Lesezeit: 3 min

Aus dem Gericht von Klaus Ott, München

Die Anwälte gehen direkt zum Angriff über

Schon am zweiten Tag im Deutsche-Bank-Prozess stöhnt Peter Noll, der Vorsitzende der fünften Strafkammer am Landgericht München I, laut auf. Aus der Verteidigung der fünf angeklagten Deutschbanker wird der Wunsch laut: "Wir brauchen die Weisheit des Gerichts." Der für seinen Humor bekannte Noll greift sich an den Kopf. "Die Weisheit, um Gottes Willen." Das Publikum ist wieder einmal amüsiert über die Prozessführung des Richters, der seit Jahren große Fälle verhandelt. Doch dann wird es ernst.

Die Verteidiger von Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen sowie seiner Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer tragen ihre Anträge vor, insgesamt vier an der Zahl. Jeder Antrag ist eine neue Attacke auf die Staatsanwaltschaft: Die gehe völlig falsch mit den Akten um und habe offenbar selbst wichtige Indizien für ihre Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs im Fall Kirch geschaffen. Die Anwälte der beiden ebenfalls angeklagten Ex-Vorstände Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck schließen sich den Angriffen an.

Trickste die Bank, wo sie nur konnte?

Die vier Anträge der Verteidigung sind auch der Konter auf schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bank, mit denen die Staatsanwaltschaft den zweiten Prozesstag eröffnet: Die Anklage habe, anders als von den Anwälten suggeriert, mitnichten Akten zurückgehalten. Vielmehr sei es im Verlauf der Ermittlungen wiederholt schwergefallen, wichtige Unterlagen und Dokumente von der Bank zu erhalten, heißt es von der Staatsanwaltschaft.

Die Bank habe "fortlaufend versucht, die Herausgabe von Akten zu verzögern". Dafür trage Co-Vorstandschef Fitschen zusammen mit seinem Vorgänger die Verantwortung. Die Bank behindere auch in anderen Verfahren "Ermittlungen gegen sie nach Kräften". Mitarbeiter hätten bei den Ermittlungen, um die es in München gehe, offenbar falsche Angaben gemacht. Von einem Gutachten für die Bank zum Streitthema habe man erst mit drei Monaten Verzögerung erfahren und die Expertise erst dann bekommen.

Die Deutsche Bank, diesen Eindruck will die Staatsanwaltschaft wohl erwecken, trickse wo sie nur könne. Immer noch, wie angeblich bereits im Schadensersatzprozess Kirch, oder schon wieder. Am Ende der Attacke auf die Deutsche Bank legen die Vertreter der Staatsanwaltschaft weitere Unterlagen vor.

Viele Beschuldigte, noch mehr Akten

"Ich weiß nicht, wie wir damit umgehen sollen", kommentiert Richter Noll die neue Akte. Das ist, aus Sicht der Verteidiger, genau das Problem in dieser Causa. Neben dem aktuellen Prozess gegen die prominenten Deutschbanker gibt es Ermittlungen gegen zahlreiche weitere Beschuldigte inklusive des tief gefallenen Thomas Middelhoff, Ex-Vorstandschef von Arcandor und Bertelsmann. Zu den weiteren Ermittlungen gebe es weitere Akten, und die seien auch für den laufenden Prozess wichtig.

Alles müsse auf den Tisch, fordert die Verteidigung und rügt einen "prozesswidrigen Umgang" der Staatsanwaltschaft mit den Akten. Außerdem solle das Gericht deutlich machen, wie die Angeklagten in dem vom inzwischen verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch gegen die Deutsche Bank angestrengten Schadensersatzprozess die Justiz getäuscht haben sollen.

Die Verteidiger wollen die Oberstaatsanwältin loswerden

Doch dann kommt noch mehr. Die Deutsche Bank habe sich im Februar 2014 offenbar nur unter Druck der Staatsanwaltschaft zu einem 925 Millionen teuren Vergleich mit Kirchs Erben und Gläubigern entschlossen, trägt Anwalt Norbert Scharf vor. Er verteidigt Ex-Bankchef Breuer, der mit seinem verhängnisvollen TV-Interview im Februar 2002 über Kirchs damalige Finanznöte die Prozesse ausgelöst hatte. Worauf Scharf abzielt, ist klar: Die Staatsanwaltschaft habe mit dem Vergleich selbst ein wichtiges Indiz für ihre Anklage geschaffen.

Am Ende der Antragsserie folgt noch eine Attacke auf Oberstaatsanwältin Christiane Serini, die Chefermittlerin in diesem Fall. Serini ist am zweiten Prozesstag nicht da, und sie soll nach dem Willen der Verteidiger als Chefanklägerin gleich ganz wegbleiben. Die Oberstaatsanwältin ist vom Gericht auch als Zeugin vorgesehen. Sie soll beispielsweise über ihre Vernehmungen von Fitschen, Ackermann, Breuer und Börsig berichten. Mal Anklägerin, mal Zeugin, das gehe nicht, beschweren sich die Verteidiger - und verlangen, dass Serini als Vertreterin der Staatsanwaltschaft abgelöst werde.

Kämen die Deutschbanker und ihre Anwälte damit durch, dann hätten sie schon viel gewonnen. Die Verteidiger fürchten niemanden so sehr wie die Oberstaatsanwältin, die in diesem Verfahren alle Details offenbar auswendig kennt. Aber bevor das Gericht über die Anträge entscheidet, darf erst einmal die Staatsanwaltschaft dazu Stellung nehmen. Nach der Mittagpause. Die setzt Richter Noll gerne recht früh an, "zwischen halb zwölf und zwölf; danach ist die Kantine so voll".

Der nächste Verhandlungstag fällt aus

Das Publikum ist wieder einmal amüsiert - und nach der Mittagspause erstaunt, wie schnell sich Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft plötzlich im Streit um die Akten einigen. Allerdings hat auch niemand Interesse an einer Aussetzung Verfahrens, einem neuen Prozess. Auch Bankchef Fitschen nicht, wie sein Verteidiger Hanns W. Feigen deutlich macht.

Also einigt man sich auf einen Kompromiss. Damit die Staatsanwaltschaft genügend Zeit hat, um vorhandene Unterlagen beizuschaffen und die Verteidiger diese Akten studieren können, fällt der Sitzungstermin am nächsten Dienstag aus. Weiter geht es dann am 18. Mai. Dann voraussichtlich mit Erklärungen von Fitschen und weiteren Angeklagten.

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