Süddeutsche Zeitung

Unternehmenskultur:Die Deutsche Bank hat jeden Stil verloren

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Während in London Mitarbeiter entlassen werden, haben Top-Banker Maßschneider zu Gast. Das zeigt einmal mehr: Die Kultur bei der Deutschen Bank stimmt nicht - und es ist höchste Zeit, das zu ändern.

Kommentar von Caspar Busse

Die Deutsche Bank baut 18 000 Stellen ab, das ist jeder fünfte Arbeitsplatz im Konzern - und ein großes Thema sind in der Öffentlichkeit zwei Mitarbeiter eines sehr teuren Londoner Herrenausstatters. Die beiden Schneider wurden mit großen Kleidersäcken in der Hand beim Verlassen der Zentrale der Bank in London fotografiert. Sie hatten gerade zwei hochrangige Deutsch-Banker besucht und Maß für neue Anzüge genommen, während gleichzeitig Hunderten Bankern gekündigt wurde, die sofort ihre Büros räumen mussten. "Respektlos" sei das gewesen, sagt nun Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dem Handelsblatt. Er gehe davon aus, dass die beiden Kollegen seinen Anruf nicht vergessen werden. Es hat also mächtig Ärger gegeben.

Doch damit sollte man die kleine Geschichte nicht einfach so abtun. Denn sie veranschaulicht sehr gut, was das wirkliche Problem der Deutschen Bank ist: Die Kultur in Deutschlands größtem Geldinstitut stimmt nicht, und wahrscheinlich ist das schon sehr lange so. Dies muss Sewing möglichst schnell und grundsätzlich ändern, wenn er mit seinem brachialen Umbau Erfolg haben will. Viel Zeit ist dabei schon verloren gegangen: Eigentlich wäre ein Kulturwandel schon nach der letzten Finanzkrise vor zehn Jahren dringend geboten gewesen.

Viele gut bezahlte Mitarbeiter, die meisten im Investmentbanking, hatten und haben vor allem ihr eigenes Wohl im Auge, nicht das ihres Arbeitgebers oder gar das des Kunden. Sie sind Söldner, die dem großen Geld folgen, die ihre Motivation aus einem möglichst hohen kurzfristigen Bonus beziehen, die heute für dieses und morgen für ein anderes Institut arbeiten. Identifizieren sie sich mit den Zielen ihres Arbeitgebers? Sind sie stolz, für die Deutsche Bank zu arbeiten?

Eine engere Bindung zwischen der Bank und Mitarbeitern gibt es offenbar nicht. Mitarbeiter etwa in Hongkong, London oder New York, die angeblich so bedeutend für die Bank waren, dass sie sehr hohe Gehälter und Bonuszahlungen erhalten haben, werden von einem auf den nächsten Tag vor die Tür gesetzt. Plötzlich funktioniert die Zugangskarte nicht mehr und man erhält einen weißen Umschlag mit der Kündigungsvereinbarung inklusive Abfindung. Auch wenn man sich vor groben Verallgemeinerungen schützen soll: Mitgefühl wie einst mit den entlassenen Schlecker-Frauen ist da kaum angebracht.

Der Deutschen Bank ist offenbar die richtige Kultur verloren gegangen

Bei vielen Unternehmen gibt es eine gewisse Loyalität zum Arbeitgeber und eine funktionierende emotionale Bindung zu den Produkten, die man herstellt - sei es bei Daimler, Volkswagen, Siemens, Bayer oder bei den vielen kleineren und größeren Mittelständlern. Das ist nicht zu unterschätzen.

Irgendwann in den vergangenen Jahrzehnten, auf dem rasanten Weg der Deutschen Bank zu einer globalen Investmentbank, sind offenbar die richtige Kultur und das passende Gespür der Mitarbeiter verloren gegangen. Es wurde geprasst, der spätere Bankchef Anshu Jain hatte sogar mal die Rolling Stones für eine private Feier einfliegen lassen. Man handelte nach dem Motto: "Alles geht." Die Folgen dieser Einstellung sind fatal: Die Bank ist immer wieder in Skandale verwickelt, hat sich Verfehlungen gegenüber Kunden oder der Öffentlichkeit zuschulden kommen lassen und massiv an Vertrauen eingebüßt. So ist die Bank dann auch an Kunden wie den heutigen US-Präsidenten Donald Trump gekommen, der gerade erst zur Deutschen Bank twitterte: "Sie wollten mit mir Geschäfte machen, wie viele andere auch!"

Bankchef Sewing selbst musste in dieser Woche feststellen: "Uns ist der innere Kompass verloren gegangen." Das Problem: Eine Änderung des Bewusstseins wird so schnell nicht umzusetzen sein.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2019
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