Süddeutsche Zeitung

Anleihegeschäfte:EZB geht gegen die Deutsche Bank vor

Lesezeit: 4 min

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Ob die Deutsche Bank je wieder an alte Erfolge anschließen kann, ist ungewiss. Schließlich sind die Risiken des Konzernumbaus beträchtlich. Einer, der diese Frage beantworten können sollte, ist Alexander von zur Mühlen. Der Berliner arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei dem größten deutschen Geldhaus. Vor einem Jahr stieg er zum Strategiechef des Instituts auf. "Seine langjährige Erfahrung in verschiedenen wichtigen Positionen unserer Bank prädestiniert ihn für diese Aufgabe", lobte Konzernchef Christian Sewing damals in einer internen Mitteilung. Und in der Tat: Von zur Mühlen hat auch den Konzernumbau orchestriert, den Sewing im Juli vorstellte, und der das Kreditinstitut aus seiner Krise herausführen soll.

Sein berufliches Wirken aber steht auch in einem anderen Licht. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung ist von zur Mühlen mitverantwortlich für Geschäfte, mit denen sich die Deutsche Bank über eine ausdrückliche Anweisung der Europäischen Bankenaufsicht hinweggesetzt hat und die zu einem saftigen Bußgeld führen könnte. Die Kontrolleure bei der EZB prüfen seit zwei Monaten, ob sie ein Verfahren eröffnen, weil das Institut über Jahre hinweg ein Verbot der Behörden ignorierte, eigene Anleihen zurückzukaufen. Erhärtet sich der Verdacht der Aufseher, würde dies erneut Zeugnis ablegen von einer in Teilen rücksichtslosen Unternehmenskultur auf Leitungsebene, die der Bank in den vergangenen Jahren Strafzahlungen in Milliardenhöhe beschert hat.

Der Fall wäre damit ein weiteres Beispiel dafür, wie tief die Bank immer noch in die alten Geschäfte verwickelt ist, und wie schwer ihr auch der personelle Neuanfang fällt, den Bankchef Sewing immer wieder ausruft. Erst jüngst hatten SZ -Recherchen enthüllt, dass mit Louise Kitchen ausgerechnet eine Managerin zur neuen Chefin der internen Abbaubank befördert wurde, die vor Jahren mitverantwortlich dafür war, dass die Bank krumme Geschäfte mit CO₂-Zertifikaten lange Zeit laufen ließ. Die Recherchen führen in den engsten Machtzirkel der Bank und stellen den propagierten Kulturwandel immer mehr in Frage. Denn im Fokus stehen nun Geschäfte, die erst wenige Jahre zurückliegen.

Im aktuellen Fall geht es nun darum, dass die Bank nach Informationen der SZ mehr als zwei Jahre lang ganz bestimmte eigene Anleihen zurückgekauft hat, ohne dafür die zwingend vorgeschriebene Erlaubnis der Bankenaufsicht einzuholen. Es handelt sich hier um sehr wichtige Wertpapiere, die im Falle einer finanziellen Schieflage der Bank sicherstellen sollen, dass nicht sofort der Steuerzahler als Retter einspringen muss, weil stattdessen die Käufer der Anleihen in Haftung genommen würden. In der Fachsprache heißen diese Anleihen AT-1 und T-2. Das ist eine Mischform aus Anleihen und Aktien, also aus Fremd- und Eigenkapital, auch Hybdridkapital genannt*. Als Ausgleich für das Risiko muss das Kreditinstitut den Anlegern einen vergleichsweise hohen Zins zahlen.

Im Fokus stehen Geschäfte, die erst wenige Jahre zurückliegen

Die dahinterstehenden Haftungsregeln (Bail-in) gelten seit 2015, ihre Einführung folgte auf die Erfahrungen der Finanzkrise. Entsprechend streng schaut die Bankenaufsicht auf diesen Bereich, denn manchmal möchten Banken diese Wertpapiere zurückkaufen und neue emittieren, dann nämlich, wenn es am Markt einen niedrigeren Zins gibt. Außerdem wollen die Banken ihren Investoren einen "liquiden" Markt bieten, auf dem sie jederzeit Papiere ver- und ankaufen können, weswegen sie selbst den An- und Verkauf der Papiere anbieten. Doch dafür gibt es eine juristische Vorgabe: "Wenn eine Bank diese Wertpapiere zurückkaufen möchte, dann braucht sie die Genehmigung der Bankenaufsicht. Das ist seit 2014 ganz klar so geregelt", sagt ein Fachanwalt, der nicht namentlich genannt werden will.

Daran aber hat sich die Bank nicht gehalten. Im April 2014, als die Chefs des Instituts noch Anshu Jain und Jürgen Fitschen hießen, begann das Geldhaus demnach für dreistellige Millionenbeträge eigene Anleihen zurückzukaufen - zur "Marktpflege", wie ein Insider sagt. Erst zum Jahresende 2014 aber fiel den Bankern ein, auch einmal bei der Aufsicht nachzufragen und die Rückkäufe formell genehmigen zu lassen. Die EZB aber, die seinerzeit gerade frisch die Aufsicht über Europas Großbanken übernommen hatte, ließ die Deutsche Bank abblitzen. Sie ordnete an, den Handel sofort einzustellen.

Alexander von zur Mühlen war damals "Chef-Treasurer", also grob gesagt für die Refinanzierung der Bank zuständig. Zusammen mit dem damaligen Co-Chef des Investmentbankings, der kurz darauf die Bank verlassen musste, bat er dem Vernehmen nach bei den Aufsehern darum, den Handel mit den Anleihen auf keinen Fall zu verbieten. Die beiden Manager begründeten es mit der prekären Lage des Geldhauses: Es könnte unkontrollierbare negative Folgen für die Bank haben, wenn sie den Handel plötzlich einstellen müsste. Schließlich könnte sich die gesamte Refinanzierung des Instituts verteuern, was das Kreditinstitut in dem schwierigen Marktumfeld nicht gut verkraften würde. Was danach passierte, ist nicht ganz nachvollziehbar, und weder die Aufsicht noch die Bank wollten sich dazu äußern**.

Die Strafen können doppelt so hoch ausfallen wie die Gewinne oder Ersparnisse

In der Tat können die Kurse der besagten Hybridanleihen auch die ganz normalen Anleihen einer Bank beeinflussen. Steigt der Kurs der AT-1-Anleihen, steigt oft auch der Kurs der "normalen" Anleihen. "Wer an dieser Schraube dreht, hat einen riesigen Hebel, die eigene Refinanzierung zu vergünstigen", sagt ein Anleihe-Experte, der nicht namentlich genannt werden will. Und umgekehrt: Wenn die AT-1-Anleihen fallen, muss das Institut womöglich auch für alle anderen neu begebenen Anleihen höhere Zinsen zahlen. Ein Aufpreis, den sich gerade die Investmentbanker nicht leisten konnten oder wollten. Schließlich hingen ihre Gewinne und damit wohl auch ihr Bonus von der Höhe der Anleihezinsen der Bank ab.

Im Jahr 2017 erteilte die EZB schließlich die Genehmigung, die aber nicht rückwirkend galt. Weitere zwei Jahre später folgt nun die Prüfung zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens. Die Bankenaufseher monieren, dass die Bank von 2014 bis August 2017 unerlaubt die besagten Anleihen gehandelt hat. Die Bußgelder können empfindlich sein. Laut Verordnung ist eine Strafe in Höhe des Doppelten der daraus resultierenden Gewinne oder Ersparnisse möglich. Ob und wie viel die Bank zahlen muss, ist aber noch völlig unklar. In jedem Fall kostet der Fall erneut Reputation. Haben die Banker das Verfahren bewusst in Kauf genommen, weil sie wussten, das Fehlverhalten kommt, wenn überhaupt, erst Jahre später heraus? Ein Fachanwalt, den die SZ befragt hat, hält den Vorgang jedenfalls für ernst. "Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass ein Kreditinstitut bewusst ohne Genehmigung aktiv würde. Man sollte als Bank die Aufseher niemals so brüskieren."

Anmerkungen der Redaktion: *In einer früheren Version waren die Anleihen AT-1 und T-2, das Hybridkapital, falsch bezeichnet (nämlich als Anleihen AT-1 und AT-2 und als Nachrangkapital). **Satz ergänzt am 19.9.2019 um 18.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 18.09.2019
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