Süddeutsche Zeitung

Deutsche Bank in China:Der rasante Aufstieg des "Mister China"

Lesezeit: 3 min

Von Petra Blum, Christoph Giesen, Peking, Nicolas Richter und Meike Schreiber, Frankfurt

Sie bezeichneten ihn ehrfürchtig als "Mister China" der Deutschen Bank: Zhang Hongli oder Lee Zhang, wie er sich selbst meist nannte. Ein Mann, der sich in beiden Welten auskannte. Im chinesischen Geschäftsdickicht, in dem es oft um die richtigen Kontakte, Präsente und rote Umschläge voller Geld geht, genauso wie in den Strukturen eines westlichen Unternehmens, das sich an strenge Regeln halten muss. Der Chinese Zhang hatte in Kanada studiert, später in Kalifornien gelebt und dort für Hewlett Packard gearbeitet. 2001 warb die Deutsche Bank ihn von der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs ab. Damals lag man hoffnungslos im Hintertreffen im sich öffnenden China.

Bereits 1995 hatte der US-Wettbewerber Morgan Stanley dabei geholfen, die erste chinesische Investmentbank zu gründen. Zwei Jahre später brachte Goldman Sachs den Staatskonzern China Telecom in Hongkong an die Börse. Und die Deutsche Bank? Sie war außen vor. Bis jener Zhang kam und sich unverzichtbar machte. Er verschaffte Vorständen Termine bei Kadern und fädelte Deals ein. Oft war er alleine mit dem damaligen Vorstandschef Josef Ackermann in Peking unterwegs. Ein hochrangiger Manager erinnert sich, dass häufig Winston Wen, der Sohn des damaligen Premierministers Wen Jiabao, an der Bar wartete, auch spät nachts, wenn Zhang und er von Terminen zurückkamen.

Anfangs schob man das auf Zhangs gute Kontakte und war stolz, ihn, diesen geborenen Netzwerker, in den eigenen Reihen zu wissen. Vor allem mit der Familie Wen, der Sippe des damaligen Ministerpräsidenten, schien Zhang sich bestens zu verstehen. Mit Winston Wen spielte er Golf.

In Windeseile beförderte die Bank ihn. Zuletzt war er der China-Chairman. Als Zhang nach neun Jahren das Institut verließ, war die Bank nach einer Aufstellung der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zur führenden Investmentbank in der Volksrepublik aufgestiegen. Niemand bekam mehr Deals, niemand finanzierte mehr Börsengänge. Lee Zhang sei Dank. Im Gegenzug ließ die Bank ihm völlige Freiheit, er konnte Kinder von Kadern einstellen und sich offenbar auch ausgiebig selbst bereichern.

Zhang äußerte sich dazu auf Anfrage nicht. Einer internen Untersuchung nach zahlte die Bank auf Zhangs Initiative hin etliche Millionen an dubiose Berater. Die Firmen hießen Goodrich Overseas, Golden Zone oder Sunny World. Mal 100 000 Dollar hier, mal zwei Millionen Euro dort. In den Berichten der externen Anwälte finden sich auch Überweisungen an eine Offshorefirma mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Der Name: Speedy Link Holdings Ltd. Sieben Transaktionen gab es zwischen 2003 und 2005. Insgesamt flossen 3,65 Millionen Dollar, offenbar im Zusammenhang mit dem Börsengang des Versicherungskonzerns China Life.

Wer der Besitzer dieser Briefkastenfirma in der Karibik war, darüber rätselten die Anwälte. Ebenfalls unklar war, wem die Offshorefirma Amazing Channel Holdings Limited gehörte, der die Bank 100 000 Dollar überwiesen hatte. Strohmännern? Einem politischen Entscheidungsträger? Die Antwort ist wohl viel banaler: Eigentümerin der beiden Firmen war mutmaßlich Zhangs Ehefrau, das lässt sich nun erstmals mit Hilfe der Panama-Papers-Daten auflösen. Bei der Gründung der beiden Gesellschaften hatte sie ihre chinesische Personalausweisnummer angegeben. Darin verborgen ist - wie bei allen Chinesen - das Geburtsdatum. In ihrem Fall lautet die Zahlenkombination 19621016, der 16. Oktober 1962. Dieses Geburtsdatum findet sich auch in einem Urteil des Hongkonger High Courts.

Woher kommen die Millionen der Ehefrau, fragten sich die Richter

Das Gericht hatte die Singapurer Bank DSB 2017 zu einer Schadensersatzzahlung an Zhang und seine Ehefrau verdonnert. Im Zuge der Finanzkrise hatte das Institut das Geld der Familie zu risikoreich angelegt. Was das Gericht sich allerdings während des Prozesses fragte: Woher kommt das ganze Geld? Anfang 2004 sollten zunächst fünf Millionen Dollar investiert werden. Wenige Monate später bereits zehn Millionen - eine stattliche Summe für eine Frau, die angab, als Beraterin 50 000 Dollar im Jahr zu verdienen. Die Millionen seien angeblich Einkünfte aus dem Verkauf von Aktien. Die Anwälte hatten Zweifel.

Auch bei der Deutschen Bank wurde man misstrauisch. Im August 2014 verklagte das Institut seinen ehemaligen China-Statthalter. Zhang habe 2001 unbefugt fünf Zahlungen in Höhe von insgesamt fast vier Millionen Dollar an eine Beraterfirma namens Harperskille genehmigt. Die externen Anwälte, die das China-Geschäft der Bank durchleuchteten, waren sich sicher, dass Zhang betrogen hatte. Ihre Unterlagen lassen wenig Zweifel daran, dass man das halbe Dutzend Berater, die Zhang bei der Deutschen Bank engagiert hatte, in einem anderen Licht sah: Ähnliche Muster, Warnsignale, schrieben die Anwälte. Vor allem die Summen, welche die angeblichen Berater bekamen, waren beachtlich. Drei Millionen Dollar für sechs Monate waren keine Seltenheit. Honorare, die sonst nur Vorstände der Deutschen Bank kassieren.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2019
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