Süddeutsche Zeitung

Cum-Cum-Geschäfte:Bafin sorgt sich um Stabilität vieler Banken

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Von Meike Schreiber, Frankfurt

Was die Banken seit der Finanzkrise umtreibt, lässt sich wohl auf ein Wort verdichten: Kulturwandel. Krumme Geschäfte, so versprechen sie, sollen der Vergangenheit angehören. Das hielt viele deutsche Kreditinstitute und Investoren trotzdem nicht von Aktiengeschäften zulasten der Staatskasse ab. Als "Cum-Ex" und "Cum-Cum"-Geschäfte sind diese Transaktionen rund um den Dividendenstichtag von Aktien inzwischen auch jenseits der Fachwelt bekannt. Kein Wunder: Sie haben die Steuerzahler wohl mehrere Milliarden Euro gekostet.

Im Falle von "Cum-Cum"-Geschäften müssen sich viele Banken nun auf die Rückzahlungen von Kapitalertragsteuern einstellen, was wiederum die Finanzaufsicht Bafin alarmiert. Für die Behörde stehen weniger steuerliche Fragen im Vordergrund als vielmehr die Finanzstabilität. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung gingen daher am Dienstag bei allen rund 1800 deutschen Banken und Sparkassen Fragebögen ein, welche die Institute spätestens bis Ende Oktober beantworten müssen.

Die Bafin will nun dringend wissen, mit welchen Rückzahlungen die Banken rechnen, ob ihre Stabilität dadurch gefährdet sein könnte und was sie in diesem Fall zu tun gedenken. Die Aufseher fürchten offenbar, dass tatsächlich einige kleine Banken in Schwierigkeiten geraten und dann dringend frisches Kapital benötigen. Die betroffenen größeren Geldhäuser hingegen dürften die Rückzahlungen ohne Weiteres leisten können. "Die Bafin möchte sich insbesondere ein Bild darüber machen, welche Folgen sich für die Solvenz der Banken ergeben und ob weitere bankaufsichtliche Maßnahmen erforderlich werden könnten", teilte die Bonner Behörde am Dienstag auf ihrer Internetseite mit.

Auslöser der Umfrage ist ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums von dieser Woche zur Aufarbeitung der "Cum-Cum"-Geschäfte. Zwar wurde dieses Steuerschlupfloch Anfang 2016 geschlossen. Die Finanzämter hatten bislang jedoch keine Anleitung, wie sie mit Transaktionen vor 2016 umgehen sollen. Und obwohl der Bundesfinanzhof "Cum-Cum"-Geschäfte bereits im Sommer 2015 als unzulässig bezeichnet, konnten sich Bund und Länder zunächst nicht darauf einigen, wann diese Geschäfte wirklich missbräuchlich sind.

Ähnlich wie bei "Cum-Ex" werden bei "Cum-Cum" Wertpapiere rund um den Dividendenstichtag gehandelt. Durch solche Transaktionen können Investoren aus dem Ausland Steuern auf Dividenden vermeiden, die sie in der Regel zahlen müssen. Dabei verleihen sie ihre Aktien über den Ausschüttungstermin hinweg für einige Tage an deutsche Banken. Diese können sich die Steuer im Gegensatz zu den ausländischen Investoren zurückholen. Nach Abschluss teilen sich das deutsche Geldhaus und der ausländische Aktionär die erstattete Steuer. "Cum-Cum" gilt als nicht ganz so problematisch wie "Cum-Ex", wo Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende gehandelt wurden und die auf Dividenden fälligen Kapitalertragsteuern in der Regel sogar mehrmals erstattet wurden.

Die Aufarbeitung von "Cum-Ex" ist daher schon weiter: Mehrere Staatsanwaltschaften ermitteln, zahlreiche Banken mussten Geld erstatten. Die Frankfurter Investmentbank Maple Bank kostete "Cum-Ex" sogar die Existenz. Das Finanzamt hatte Anfang 2016 rund 450 Millionen Euro von ihr zurückgefordert, was die Maple Bank jedoch nicht zahlen konnte.

Es geht um mehr als nur ein paar Einzelfälle

Wie viele Banken hingegen "Cum-Cum"-Geschäfte getätigt haben und welche Risiken auf die deutsche Finanzbranche zukommen, darüber haben die Behörden bislang noch keine genaue Kenntnis. Eines aber ist klar: Es handelte sich bei weitem nicht nur um Einzelfälle. Beteiligt waren nicht nur Privatbanken, sondern auch Volksbanken sowie öffentlich-rechtliche Landesbanken und Sparkassen. Auch die Commerzbank, an der der Bund mit fünfzehn Prozent beteiligt ist, mischte mit. Insgesamt müssen die Institute wohl mindestens eine Milliarde Euro an den Fiskus nachzahlen. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bafin die Banken nach ihren "Cum-Cum"-Risiken abgeklopft, damals allerdings nur stichprobenartig.

Immerhin kommt den Bankern zupass, dass sie bei der Aufarbeitung nur bis März 2013 in die Vergangenheit zurückgehen müssen. So geht es aus dem Schreiben des Finanzministeriums hervor. Das gefällt jedoch nicht jedem. "Ich kann nicht nachvollziehen, dass man so viele Fälle vor 2013 einfach auf sich beruhen lässt", sagt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Das sei eine Großzügigkeit, für die er kein Verständnis habe.

Zwar herrscht nun immerhin ab 2016 Klarheit, wann solche Geschäfte als missbräuchlich eingestuft werden. Rechtsexperten rechnen wegen der Altfälle nun aber gleichwohl mit einer Klageflut. "Problematisch erscheint dabei, dass auch vollkommen gewöhnliche Banktransaktionen mit dem Missbrauchsmakel versehen werden", sagt Gottfried Breuninger, Steuerexperte der Rechtsanwaltskanzlei Allen & Overy. Da bei der Missbrauchsprüfung der jeweilige Fall konkret zu würdigen sei, drohe nun jahrelange Rechtsunsicherheit.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2017
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